Titel

BGH, Urteil vom 30.04.2020, Az. StB 29/18


Kein Eilrechtsschutz zum BGH für Migranten und G20 - Demonstranten

 


Zitiervorschlag: BGH, Urteil vom 30.04.2020, Az. StB 29/18, zitiert nach POR-RAV


Teaser

1. Die Polizei kann sich beim BGH nicht beschweren, selbst wenn das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat.

2. Die Anschlussrechtsbeschwerde von Betroffenen ist ein stumpfes Schwert.

Leitsatz

1. Das hamburgische Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (HmbSOG) begründet eine Sonderzuständigkeit nach den Vorschriften des FamFG.

2. Bei einer polizeirechtlichen Freiheitsentziehung endet der Instanzenzug im Eilverfahren bei dem Landgericht.

3. Der BGH prüft weder die Rechtmässigkeit der Freiheitsentziehung im Rahmen von G20 noch der Art und Weise des Gewahrsamsvollzuges.

4. Mit dieser Grundsatzentscheidung sind offene Rechtsfragen geklärt (rechtsfortbildende Rechtsprechung).

Volltext

TENOR

1. Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 25. Mai 2018 wird verworfen.

2. Die Anschlussrechtsbeschwerde des Betroffenen hat ihre Wirkung verloren.

3. Der Betroffene trägt die Hälfte der Gerichtskosten des Verfahrens in der Rechtsbeschwerdeinstanz; weitere Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Freien und Hansestadt Hamburg werden die Hälfte der dem Betroffenen in der Rechtsbeschwerdeinstanz entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten auferlegt; im Übrigen trägt diese der Betroffene selbst.

4. Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde und der Anschlussrechtsbeschwerde beträgt 7.500 €.

5. Dem Betroffenen wird für die Rechtsbeschwerdeinstanz ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Prof. Dr. S. beigeordnet.

GRÜNDE

I.

1. Am 7. und 8. Juli 2017 fand in Hamburg ein Treffen der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20-Gipfel) statt. Insbesondere an diesen beiden Tagen, aber auch schon im Vorfeld des Gipfeltreffens führten dessen Gegner in der Stadt zahlreiche Demonstrationen und Protestaktionen durch, die teilweise mit schwerwiegenden Ausschreitungen einhergingen. Der Betroffene war Teil einer Gruppe überwiegend schwarz gekleideter und vermummter Personen (sog. Schwarzer Block), aus der heraus am frühen Morgen des 7. Juli 2017 Flaschen, Steine und pyrotechnische Gegenstände auf Einsatzkräfte der Polizei geworfen wurden. Er wurde um 06:27 Uhr vorläufig festgenommen und in die eigens für die Dauer des G20-Gipfels eingerichtete und durchgängig mit einem Bereitschaftsdienst von Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei besetzte Gefangenensammelstelle (GESA) verbracht, um dort eine richterliche Entscheidung über die vorübergehende Entziehung seiner Freiheit herbeizuführen.

2. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht Hamburg am 8. Juli 2017 um 11:40 Uhr die Fortdauer des Gewahrsams gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (HmbSOG) bis längstens Sonntag, den 9. Juli 2017, um 18 Uhr angeordnet.

Mit Beschluss vom 25. Mai 2018 hat das Landgericht auf die Beschwerde des - nach dem festgelegten Endzeitpunkt in die Freiheit entlassenen - Betroffenen festgestellt, dass die Freiheitsentziehung in der Zeit von dessen vorläufiger Festnahme bis zur Bekanntgabe des Beschlusses des Amtsgerichts (mithin der behördliche Gewahrsam) wegen Verstoßes gegen das Unverzüglichkeitsgebot gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 HmbSOG rechtswidrig war.

Darüber hinaus hat es die Feststellung getroffen, dass der Betroffene durch die Art und Weise des Gewahrsamsvollzugs in seinen Rechten verletzt wurde, indem er sich bei Durchsuchungen seiner Person viermal vollständig entkleiden und bei seinen Toilettengängen die WC-Tür offen bleiben musste. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen, weil es die vom Amtsgericht angeordnete Freiheitsentziehung für den Zeitraum ab und aufgrund dieses Beschlusses bis zu dem darin festgelegten Endzeitpunkt (mithin den richterlichen Gewahrsam) als rechtmäßig beurteilt hat. Das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.

3. Gegen den Beschluss des Landgerichts wendet sich die beteiligte Behörde mit ihrer Rechtsbeschwerde. Sie begehrt zum einen die Aufhebung des Beschlusses, soweit das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts wegen Verstoßes gegen das Unverzüglichkeitsgebot aufgehoben und die Freiheitsentziehung in der Zeit von der vorläufigen Festnahme des Betroffenen bis zur Bekanntgabe der Entscheidung des Amtsgerichts für rechtswidrig erklärt hat; zum anderen richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen die vom Landgericht ausgesprochene Feststellung, die Art und Weise des Gewahrsamsvollzugs habe den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.

Der Betroffene greift den Beschluss des Landgerichts mit seiner Anschlussrechtsbeschwerde an, soweit das Landgericht die vom Amtsgericht beschlossene Fortdauer der Freiheitsentziehung vom 8. Juli 2017 um 11:40 Uhr bis zum 9. Juli 2017 um 18 Uhr als rechtmäßig erachtet hat.

II.

Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist unzulässig. Das Rechtsmittel ist nicht statthaft.

1. Das Hamburgische Sicherheits- und Ordnungsrecht sieht als Rechtsmittel gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 70 ff. FamFG vor.

Nach der im Sinne des § 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO abdrängenden Sonderzuweisung des § 13a Abs. 2 Satz 2 HmbSOG ist für das Verfahren über den Gewahrsam gemäß § 13 HmbSOG das Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in der jeweils geltenden Fassung heranzuziehen. In diesem Buch, welches das Verfahren in bundesrechtlich angeordneten Freiheitsentziehungen zum Gegenstand hat, sind zwar die Rechtsmittel - mit Ausnahme der ergänzenden Vorschrift des § 429 FamFG - nicht gesondert geregelt. Indes finden die §§ 70 ff. FamFG als im Buch 1 enthaltene allgemeine Vorschriften Anwendung auf die in den weiteren Büchern normierten Verfahren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. September 2016 - StB 26/16, NStZ-RR 2017, 24; vom 19. April 2018 - StB 5/18, NStZ-RR 2018, 262 f.; Drews in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., § 429 Rn. 1; Grotkopp in Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl., § 429 Rn. 16).

Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde richtet sich nach § 70 FamFG. Nach dieser Bestimmung ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie aus einem der in § 70 Abs. 2 FamFG genannten Gründe zugelassen hat (§ 70 Abs. 1 FamFG), sowie darüber hinaus in Freiheitsentziehungssachen ohne Zulassung, wenn sie sich gegen den die Freiheitsentziehung anordnenden oder in den in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG genannten Verfahren gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss richtet (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2, 3 FamFG).

Demgegenüber findet nach § 70 Abs. 4 FamFG gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests die Rechtsbeschwerde nicht statt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt für das Aufenthaltsrecht Folgendes: Der Regelung des § 70 Abs. 4 FamFG unterfällt die vorläufige richterliche Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung nach § 427 FamFG i.V.m. § 62 AufenthG. Dem gleich steht die einer richterlichen Beschlussfassung vorgelagerte Möglichkeit der Behörde, einen Ausländer unter strengen Voraussetzungen für einen kurzen Zeitraum vorläufig in Gewahrsam zu nehmen, um diesen unverzüglich dem Richter vorzuführen (§ 428 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 62 Abs. 5 nF bzw. Abs. 4 aF AufenthG). Denn nach § 428 Abs. 2 FamFG ist auch über die Anfechtung behördlich angeordneter Freiheitsentziehungen im Sinne von § 428 Abs. 1 Satz 1 FamFG "nach den Vorschriften dieses Buches" zu entscheiden. Daraus wird deutlich, dass der gerichtliche Rechtsschutz gegen solche Maßnahmen den Regelungen folgen soll, die auf die Anfechtung gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehungen Anwendung finden. Hierzu zählt § 70 Abs. 4 FamFG. Dabei ist ohne Bedeutung, ob das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat; eine solche Zulassung ist verfahrensfehlerhaft und bindet das Rechtsbeschwerdegericht nicht (vgl. zum Ganzen BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, juris Rn. 5; vom 23. Mai 2011 - V ZA 29/10, juris; vom 9. März 2017 - V ZB 119/16, juris Rn. 5, 9).

Für die behördlich angeordnete Freiheitsentziehung zum Zweck der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung über den Gewahrsam nach den Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts gilt nichts anderes. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es insoweit rechtfertigen würde, im Hinblick auf das Rechtsmittelrecht zwischen den beiden Rechtsgebieten zu differenzieren.

Vielmehr ist in der jeweils zu beurteilenden Verfahrenskonstellation der maßgebliche sachliche Grund für den Ausschluss der Rechtsbeschwerde, dass der behördliche Gewahrsam im Vorfeld der richterlichen Entscheidung generell nur vorläufigen Charakter hat. Folgerichtig behandelt die Kommentarliteratur zum FamFG die Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 70 Abs. 4 FamFG in diesen Fällen ohne Bezug auf eine bestimmte Kategorie von Freiheitsentziehungssachen (s. Drews in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., § 428 Rn. 11; Keidel/Göbel, FamFG, 20. Aufl., § 428 Rn. 12; MüKoFamFG/Wendtland, 3. Aufl., § 428 Rn. 10).

2. Nach den aufgezeigten Maßstäben ist die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde - trotz ihrer Zulassung durch das Landgericht - nicht statthaft.

a) Soweit sich die beteiligte Behörde gegen die Feststellung des Landgerichts wendet, die Freiheitsentziehung des Betroffenen in der Zeit von seiner vorläufigen Festnahme bis zur Bekanntgabe der Entscheidung des Amtsgerichts sei wegen Verstoßes gegen das Unverzüglichkeitsgebot (§ 13a Abs. 1 Satz 1 HmbSOG) rechtswidrig gewesen, ist die Rechtsbeschwerde analog § 70 Abs. 4 FamFG nicht eröffnet. Denn der betreffende Verfahrensgegenstand bezieht sich auf den behördlichen Gewahrsam zum Zweck der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung und damit denjenigen Zeitraum, für den sich der Rechtsschutz nach § 428 Abs. 2 FamFG richtet.

b) Soweit sich die beteiligte Behörde gegen die Feststellung des Landgerichts wendet, der Betroffene sei durch die Art und Weise des Gewahrsamsvollzugs in seinen Rechten verletzt worden, ist die Rechtsbeschwerde ebenso wenig statthaft.

aa) Die Rechtsbeschwerde findet auch dann analog § 70 Abs. 4 FamFG nicht statt, wenn sie sich gegen die Art und Weise des behördlichen Gewahrsamsvollzugs richtet. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die §§ 70 ff. FamFG verhalten sich zu einem solchen Begehren nicht. Das Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit regelt lediglich die Freiheitsentziehung dem Grunde nach, nicht aber die Art und Weise ihres Vollzugs. Dass im Fall des behördlichen Gewahrsams auch solche Rechtsverletzungen ausnahmsweise zusammen mit der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden können, beruht auf einer rechtsfortbildenden Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte. Danach soll die abdrängende Sonderzuweisung bezüglich der Entscheidung über die behördliche Freiheitsentziehung dahin auszulegen sein, dass sie gegebenenfalls auch deren Vollzug einschließt; jedenfalls aber soll eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit für solche Rechtsverletzungen im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG kraft Sachzusammenhangs anzunehmen sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Dezember 2005 - 2 BvR 447/05, NVwZ 2006, 579, 583; vom 20. Mai 2015 - 2 BvR 1834/12, NVwZ-RR 2015, 881, 882; VGH München, Urteil vom 25. Oktober 1988 - 21 B 8801491, NJW 1989, 1754, 1755). Nähere Vorgaben für die Ausgestaltung des Rechtsmittelzuges ergeben sich aus den betreffenden Entscheidungen indes nicht.

Anknüpfend an das Bestreben dieser Judikatur, einen einheitlichen Rechtsweg für die Entscheidung über die Anordnung des behördlichen Gewahrsams und etwaige Rechtsverletzungen während dessen Vollzugs zu eröffnen, kann für den Rechtsmittelzug nichts anderes gelten; auch insoweit ist ein Gleichlauf herzustellen. Denn wenn die Zuordnung solcher Begehren zur ordentlichen Gerichtsbarkeit auf die erweiternde Auslegung der abdrängenden Sonderzuweisung für die Entscheidung über die Anordnung der behördlichen Freiheitsentziehung oder den mit dieser bestehenden Sachzusammenhang gestützt wird, darf der Rechtsmittelzug weder hinter dem hierfür vorgegebenen zurückbleiben, noch kann er darüber hinaus reichen.

Maßgeblich ist demnach, ob für die Entscheidung über die Anordnung der Freiheitsentziehung ein Rechtsmittel überhaupt stattfindet.

bb) Danach ist die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde auch hinsichtlich der vom Landgericht beanstandeten Art und Weise der Freiheitsentziehung nicht statthaft. Die angefochtene Entscheidung umfasst bei verständiger Auslegung ausschließlich - der Rechtsbeschwerde entzogene - Rechtsverletzungen während des behördlichen Gewahrsams. Weder der Beschlussformel noch den Beschlussgründen sind Hinweise darauf zu entnehmen, dass die festgestellten Rechtsverletzungen nicht im Zusammenhang mit dem Vollzug des behördlichen Gewahrsams stehen. Im Gegenteil indiziert der Umstand, dass das Landgericht etwa hinsichtlich der Durchsuchung des Betroffenen bei vollständiger Entkleidung als mögliche Rechtsgrundlage allein § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HmbSOG herangezogen hat, eine Zuordnung zum behördlichen Gewahrsam. Nach dieser Vorschrift darf eine Person durchsucht werden, wenn sie nach dem Hamburgischen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten werden darf oder wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen. Hätte das Landgericht demgegenüber über eine Durchsuchung des Betroffenen im Zusammenhang mit dem richterlichen Gewahrsam entscheiden wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass es die einschlägige Regelung des § 13b Abs. 4 HmbSOG i.V.m. §§ 171, 84 StVollzG in den Blick genommen hätte. Auch der Aufbau der Beschlussgründe legt dies nahe, indem die Art und Weise des Gewahrsamsvollzugs unmittelbar im Anschluss an die Rechtmäßigkeit der behördlichen Freiheitsentziehung, hingegen vor der richterlichen Freiheitsentziehung geprüft wird.

Im Übrigen steht einem weiteren Verständnis der Entscheidung entgegen, dass für Rechtsverletzungen außerhalb des behördlichen Gewahrsamsvollzugs ohnehin der Rechtsweg nach dem FamFG nicht eröffnet wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 57/14, NVwZ-RR 2015, 115; Keidel/Göbel, 20. Aufl., § 422 Rn. 10; MüKoFamFG/Wendtlandt, 3. Aufl., § 422 Rn. 9).

Dem entspricht es, dass das Landgericht die Rechtsbeschwerde zugunsten der beteiligten Behörde unter Verweis auf eine im Schrifttum - entgegen ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - vertretene Ansicht zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Fall des behördlichen Gewahrsams zugelassen hat. Über die Art und Weise des Vollzugs des richterlichen Gewahrsams hat es nicht entscheiden dürfen und ersichtlich auch nicht entscheiden wollen.

III.

Über die Anschlussrechtsbeschwerde des Betroffenen ist nicht mehr zu entscheiden. Wird die Rechtsbeschwerde - wie hier - als unzulässig verworfen, verliert die Anschlussrechtsbeschwerde kraft Gesetzes ihre Wirkung (§ 73 Satz 3 FamFG). Dies hat der Senat klargestellt (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Aufl., § 73 Rn. 13).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 84, 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 MRK analog. Da der Betroffene die Anschließung an eine von vorneherein unzulässige Rechtsbeschwerde erklärt hat, sind ihm im Rahmen der einheitlich zu treffenden Billigkeitsentscheidung die in der Rechtsbeschwerdeinstanz entstandenen Kosten anteilig aufzuerlegen (s. Joachim in Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl., § 73 Rn. 5; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Aufl., § 73 Rn. 15 f.). Eine hälftige Quotelung entspricht der Billigkeit.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts des Verfahrens in der Rechtsbeschwerdeinstanz folgt aus § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 2 und 3, § 62 analog GNotKG, wobei die Werte der Rechtsbeschwerde (vorläufige behördliche Ingewahrsamnahme: 2.500 €) und der Anschlussrechtsbeschwerde (endgültige amtsgerichtliche Entscheidung über den Gewahrsam: 5.000 €) zu addieren sind.

V.

1. Dem Betroffenen ist nach § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO auf seinen Antrag für die Rechtsbeschwerdeinstanz Verfahrenskostenhilfe zu gewähren.

a) Hinsichtlich der Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde sind nach § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO Erfolgsaussicht und Mutwilligkeit der Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht zu prüfen (zu - hier nicht vorliegenden - Ausnahmekonstellationen vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 119 Rn. 20 f.).

Hinsichtlich der Anschlussrechtsbeschwerde ergibt die erforderliche (s. Zöller/Schultzky aaO, Rn. 19) Prüfung, dass seine Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig erschien (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Der näheren Betrachtung bedarf lediglich die erstgenannte Voraussetzung:

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn bei summarischer Prüfung für die begehrte Rechtsfolge - im maßgeblichen Zeitpunkt der "Entscheidungsreife" (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2012 - XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964, 1965; vom 10. Dezember 2014 - XII ZB 232/13, juris Rn. 7) – eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht (zu Rechtsmitteln s. MüKoZPO/Wache, 5. Aufl., § 119 Rn. 34 mwN). Dabei dürfen an die Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden; es reicht bereits aus, wenn das Gericht nach einer summarischen Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für vertretbar hält (s. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160, 1161). Das gilt namentlich dann, wenn in der Hauptsache schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden sind (vgl. hierzu Prütting/Helms/Dürbeck, FamFG, 4. Aufl., § 76 Rn. 22 mwN).

Der Anschlussrechtsbeschwerde war nicht von vorneherein der Erfolg versagt. Insbesondere war nicht offensichtlich, dass die - vom Landgericht zugelassene - Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde als unzulässig verworfen werden und somit die Anschlussrechtsbeschwerde ihre Wirkung verlieren würde. Denn die Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde gründet auf rechtsfortbildender Rechtsprechung, wobei die Frage der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde bezüglich Rechtsverletzungen während des Gewahrsamsvollzugs in der hier vorliegenden Fallgestaltung vor dieser Senatsentscheidung ungeklärt war.

b) Nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ist der Betroffene nicht in der Lage, die Kosten für die Rechtsbeschwerdeinstanz ganz oder teilweise aufzubringen (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 115 ZPO).

2. Dem Betroffenen ist nach § 78 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG antragsgemäß Rechtsanwalt Prof. Dr. S. in der Rechtsbeschwerdeinstanz beizuordnen.