Titel

LG Rostock, Urteil vom 19.04.2012, Az. 3 T 13/10
Präventivgewahrsam nach § 55 SOG-MV ist konventionswidrig

 


Zitiervorschlag: LG Rostock, Urteil vom 19.04.2012, Az. 3 T 13/10, zitiert nach POR-RAV


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Teaser

Art. 5 Abs. 1 lit. c der Menschenrechtskonvention rechtfertigt keinen Präventivgewahrsam, wie er in deutschen Polizeigesetzen (hier: SOG M-V) vorgesehen ist, sondern nur Freiheitsentzug im Rahmen eines Strafverfahrens.

Leitsatz

1. Die Europäische Menschenrechtsknovention (EMRK)hat den Rang von Bundserecht und muss insoweit von der gesprechenden Gewalt berücksichtigt werden. 2. Art. 5 Abs. 1 lit c EMRK rechtfertigt eine Freiheitsentziehung nur im Rahmen eines Strafverfahrens. Dies ergibt sich aus der Zusammenschau mit Abs. 3, wonach jede von Freiheitsentzug gem. Abs. 1 betroffene Person Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist hat. 3. Ein Präventivgewahrsam außerhalb eines Strafverfahrens, wie er in § 55 Abs. Abs. 1 Ziff. 1b SOG M-V vorgesehen ist, steht daher nicht im Einklang mit der EMRK.

Volltext

TENOR

Es wird festgestellt, dass die Freiheitsentziehung des Betroffenen am 06.06.2007 von Anfang an und während der gesamten Dauer rechtswidrig war.

Die Auslagen des Betroffenen für die I. und ll. lnstanz trägt das Land Mecklenburg-Vorpommern.

GRÜNDE

I. Der Betroffene wurde am 06.06.2007 um 16.25 Uhr während des G8-Gipfels auf einem angrenzenden Feld im Bereich des Golfplatzes Wittenbeck in Gewahrsam genommen Zu diesem Zeitpunkt habe nach dem Bericht der Polizei eine Gruppe von 50 bis 60 Personen die Straße Zur Kühlung passiert. Diese Personengruppe sei überwiegend dunkel gekleidet gewesen und habe teilweise Sturmhauben aufgesetzt bzw. dunkle Sonnenbrille und dunkle Tücher über Mund und Nase getragen. Als die Polizeibeamten von den Personen entdeckt worden seien, hätten ca. 40 bis 50 Personen aus dieser Gruppierung mit der Zerschlagung von dort befindlichen Paletten begonnen. Einige Paletten seien auf die Fahrbahn gebracht worden. Es seien Steine aufgenommen und zerschlagen und teilweise mitgeführt bzw. ein Teil größerer Steine sei als Hindernis auf die Fahrbahn gelegt worden. Der Betroffene habe zu dieser Gruppe der 40 bis 50 Personen gehört. Bei seiner lngewahrsamnahme wurde bei ihm ein Motorradfließ (von der Beschwerdegegnerin als Sturmhaube bezeichnet) gefunden.

Der Betroffene wurde in der Folge in die Gefangenensammelstelle verbracht, wo er um 21.00 Uhr eintraf.

Nach den Unterlagen der Polizei habe es sich um strafprozessuale Maßnahmen gehandelt. Im Festnahmebericht (Blatt 1 der Akte) wurde bei den Alternativen “Festnahme“, “Gewahrsamnahme“, “Sicherstellung/Beschlagnahme“ “Festnahme“ angekreuzt. Später in der Gefangenensammelstelle wurde der Betroffene als Verdächtiger im Sinne von § 102 StPO wegen der Vermummung benannt (Durchsuchungs-/Sicherstellungsprotokoll Blatt 56 der Akte). Hinsichtlich der Sturmhaube wurde in diesem Protokoll vermerkt Maßnahme nach § 94 StPO (Blatt 57 der Akte). Die Beschlagnahme erfolgte ausweislich eines weiteren Vermerkes in der Gefangenensammelstelle (Blatt 59 der Akte) mit dem Ziel des Eigentumsentzugs. In einem Vorführbericht (Blatt 13 der Akte) aus der Gefangenensammelstelle wurde vermerkt Grund der Gewahrsamnahme/Festnahme:

§ 125a StGB, schwerer Landfriedensbruch § 29 1 Nr. la VersG; Tragen von Vermummung.

In dem selben Bericht wurde als Vorschlag zur Entlassungszeit vermerkt: 09.06.2007, 12.00 Uhr. Es wurde in der Gefangenensammelstelle dann ein Antrag auf lngewahrsamnahme gestützt auf § 55 Abs. 1 Nr. 3 SOG an das Amtsgericht gestellt.

Im Beschwerdeverfahren wurde die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 22.10.2009 darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage die Freiheitsentziehung auf strafprozessualer Grundlage erfolgt sei und erstmals mit der Antragstellung an das Amtsgericht von enier Ingewahrsamnahme ausgegangen worden sei. Die Beschwerdegegnerin erklärt dazu, dass der Betroffene am Ort des Geschehens in Gewahrsam genommen worden sei. Es habe sich um eine gegfahrenabwehrende und nicht um eine strafprozessuale Maßnahme gehandelt. Die Eintragung “Festnahme“ auf den Berichten, die größtenteils vor Ort erfolgt seien, sei irreführend. Die gesamte Abarbeitung des Sachverhaltes lasse keinen anderen Schluss zu, als dass es sich um eine Ingewahrsamnahme gehandelt habe. Die Falscheintragungen seien auch der Vielzahl der in Gewahrsam genommenen Personen und der unübersichtlichen Lage vor Ort während des G8-Gipfels geschuldet. Selbst der Beschwerdeführer gehe in sämtlichen Schriftsätzen von einer lngewahrsamnahme aus. Auf den weiteren Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen.

Um 23.23 Uhr begann die richterliche Anhörung des Betroffenen. Mit Beschluss vom 06.06.2007 ordnete das Amtsgericht Rostock die Fortdauer des amtlichen Gewahrsams bis längstens 09.06.2007, 12.30 Uhr, an. Es stützte seine Entscheidung auf §§ 55 Abs. 1 Nr. 2b, 56 Abs. 5 SOG M-V. Dabei nahm es das Amtsgericht als gegeben hin, dass der Betroffene zur oben genannten Gruppe der 50 bis 60 Demonstranten gehört habe. Das Amtsgericht sah die Fortdauer des Gewahrsams als unerlässlich an, da der Betroffene den Eindruck erweckt habe, dass er weiterhin Straftaten begehen werde. Er habe den Eindruck gemacht, nur zum Zwecke von “Ausschreitungen“ zum G8-Gipfel angereist zu sein. Das entnahm das Amtsgericht dem Mitführenden einer Sturmhaube und dem Ort der lngewahrsamnahme.

Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer am 08.06.2007 sofortige Beschwerde ein. Am 13.06.2007 legte er erneut Beschwerde ein und beantragte festzustellen, dass die Freiheitsentziehung sowie die Art und Weise der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig war.

Eine Entscheidung des Amtsgerichtes über die Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Behandlung während der Freiheitsentziehung ist bisher nicht ergangen.

Am 02.03.2009 beantragte der Beschwerdeführer festzustellen, dass die Durchsuchung während des Gewahrsams, für die er sich habe ausziehen müssen und sodann Kniebeuge vollziehen müssen, rechtswidrig war. Auch über diesen, an das Landgericht gerichteten Antrag hat das Amtsgericht bisher nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 23.10.2009 wies das Landgericht den Beschwerdeführer darauf hin, dass die Anträge betreffend die Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Behandlung während der Freiheitsentziehung sowie der weitere Antrag vom 02.03.2009 unzulässig seien, da zunächst das Amtsgericht darüber zu entscheiden habe. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht. II. Die gemäß Artikel 111 FGG-RG, § 56 Abs. 5 Satz 5 SOG M-V § 7 Abs 1 und 2 FEVG zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Da die Beschwerdegegnerin selbst davon ausgeht, dass die Freiheitsentziehung des Betroffenen von Anfang an keinen strafprozessualen Charakter hatte, geht auch das Gericht davon aus, dass es sich von Anfang an um eine präventivrechtliche Ingewahrsamnahme handelte.

Die lngewahrsamnahme des Betroffenen war rechtswidrig, da sie gegen Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonventbon (MRK) verstieß. Hinsichtlich der Stellung der MRK und ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im folgenden EGMR) ist, unter Bezugnahme auf den Beschluß des BVerfG vom 14.10.2004 Az. 2 BvR 1481/04, veröffentlicht in NJW 2004, 3407, von folgendem auszugehen:

Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind - im Range eines Bundesgesetzes, da der Bundesgesetzgeber den genannten Übereinkommen jeweils mit förmlichen~ Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt hat (Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952, BGBI II S. 685; die Konvention ist gemäß der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1953, BGBI 1954 II S. 14 am 3. September 1953 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten; Neubekanntmachung der Konvention in der Fassung des 11. Zusatzprotokolls in BGBI 2002 II S. 1054). Die Urteile des EGMR sind für die an dem Verfahren beteiligten Parteien verbindlich und haben damit auch begrenzte materielle Rechtskraft (Art. 42, 44, 46 MRK). Das Konventionsrecht verfügt insoweit nicht über eine § 31 Abs. 1 BVerfGG vergleichbare Vorschrift, wonach alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind. Art. 46 Abs. 1 EMRK spricht nur eine Bindung der beteiligten Vertragspartei an das endgültige Urteil in Bezug auf einen bestimmten Streitgegenstand aus (res iudicata). Gerichte können sich nicht unter Berufung auf eine Entscheidung des EGMR von der rechtsstaatlichen Kompetenzordnung und der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) lösen. Zur Bindung an Gesetz und Recht gehört aber auch die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung. Die Rechtsprechung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Der dem Gesetz unterworfene Richter wird durch diese aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Bindung in seiner verfassungsgemäß garantierten Unabhängigkeit nicht berührt (Art. 97 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 18,52 <59>; 19, 17 <31 f.>). Sowohl die Rechtsbindung als auch die Gesetzesunterworfenheit konkretisieren die den Richtern anvertraute Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt (Art. 92 GG). Da die Europäische Menschenrechtskonvention - in der Auslegung durch den EGMR- im Range eines förmlichen Bundesgesetzes gilt, ist sie in den Vorrang des Gesetzes einbezogen und muss insoweit von der rechtsprechenden Gewalt beachtet werden. Bei der Berücksichtigung von Entscheidungen des EGMR haben die staatlichen Organe die Auswirkungen auf die nationale Rechtsordnung in ihre Rechtsanwendung einzubeziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um ein in seinen Rechtsfolgen ausbalanciertes Teilsystem des innerstaatlichen Rechts handelt, das verschiedene Grundrechtspositionen miteinander zum Ausgleich bringen will. Es ist die Aufgabe der nationalen Gerichte, eine Entscheidung des EGMR in den betroffenen Teilrechtsbereich der nationalen Rechtsordnung einzupassen, weil es weder der völkervertraglichen Grundlage noch dem Willen des Gerichtshofs entsprechen kann, mit seinen Entscheidungen gegebenenfalls notwendige Anpassungen innerhalb einer nationalen Teilrechtsordnung unmittelbar selbst vorzunehmen.

Das SOG-MV ist Landesrecht. Bei Verstößen gegen das Bundesrecht, hier die MRK, wird es vom Bundesrecht, d.h. der MRK gebrochen (Art. 31 GG).

Artikel 5 Abs. 1 MRK führt die Fälle auf, bei denen es gestattet ist, einer Person ihre Freiheit zu entziehen. Hierbei handelt es sich um eine abschließende Aufzählung und nur eine enge Auslegung stimmt mit dem Ziel dieser Bestimmung überein: sicherzustellen, dass niemandem willkürlich die Freiheit entzogen wird (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 24.03.2005 (Rechtssache E. gegen Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 7790/01) Ziffer 33). Nach der einzig in Frage kommenden Alternative des Artikels 5 Abs. 1 MRK, nämlich Buchstabe c, wäre eine rechtmäßige Freiheitsentziehung zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde zulässig, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, die Person an der Begehung einer Straftat zu hindern. Allerdings wird hierdurch nicht eine lngewahrsamnahme wie im vorliegenden Fall nach § 55 Abs. 1 Ziffer 2b SOG M-V gerechtfertigt. Nach dem Wortlaut von Artikel 5 Abs. 1 Ziffer c MRK und Artikel 5 Abs. 3 MRK sind diese beiden Normen im Zusammenhang zu sehen. Danach muss jede Person, die nach Artikel 5 Abs. 1 Ziffer c MRK von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, unverzüglich einem Richter vorgeführt werden - unter allen in Absatz 1 c erfassten Umständen - mit Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist (Urteil des EGMR vom 01.12.2011 (Rechtssache S. und G. gegen Deutschland Individualbeschwerden Nr. 8080/08 und 8577/08) Ziffer 72). Der Präventivgewahrsam nach § 55 Abs. 1 Ziffer 2 SOG M-V stand jedoch nicht im Zusammenhang mit einem Strafverfahren. Er war auch nicht darauf ausgerichtet, dass der Beschwerdeführer in angemessener Frist ein Urteil erhält. Insbesondere kann auch der nicht im Rahmen eines Strafverfahrens, sondern im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangene angefochtene Beschluss nicht als ein Urteil im oben genannten Sinne angesehen werden. So wie eine Verurteilung nach Artikel 5 Abs. 1 a MRK in dem Sinne zu verstehen ist, dass sowohl eine Schuldfeststellung erfolgt, nachdem das Vorliegen einer Straftat in der gesetzlich vorgesehenen Weise festgestellt wurde, als auch die Auferlegung einer Strafe oder einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme (siehe aaO Ziffer 74), ist auch das Urteil im Sinne von Artikel 5 Abs. 3 MRK zu verstehen. Durch den amtsgerichtlichen Beschluss erging jedoch weder eine Schuldfeststellung hinsichtlich einer Straftat in der gesetzlich vorgesehenen Weise, noch mußte eine solche nach den Vorschriften des § 55 Abs. 1 Ziffer 2b SOG M-V ergehen. Vielmehr kann eine Entscheidung über die lngewahrsamnahme nach § 55 Abs. 1 Ziffer 2b SOG M-V allein aufgrund von Prognosegesichtspunkten ergehen, ohne dass es auf eine festgestellte Schuld des Betroffenen ankommt.

Diese Auslegung von Artikel 5 Abs. 1 c MRK entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des EGMR, wonach eine Freiheitsentziehung nach Artikel 5 Abs. 1 c MRK nur im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung gestattet ist (vgl. Urteil des EGMR vom 24.03.2005 aaO Ziffer 35 und Urteil des EGMR vom 01.12.2011 aaO Ziffern 72 und 79). Zwar stellt der EGMR in der zuletzt genannten Entscheidung hauptsächlich darauf ab, dass er nicht überzeugt war, dass die Fortdauer der Freiheitsentziehung wegen begründeten Anlasses zur der Annahme, es sei notwendig, den Beschwerdeführer an der Begehung einer Straftat zu hindern, als notwendig angesehen werden kann. Jedoch verweist er als weitere Begründung darauf, dass eine Freiheitsentziehung nur erfolgen darf, wenn sie den Zweck verfolgt hätte, die Beschwerdeführer im Verlauf ihrer Untersuchungshaft der zuständigen Gerichtsbehörde vorzuführen und darauf ausgerichtet gewesen wäre, sie einem Strafverfahren zuzuführen (Ziffer 79). In Anbetracht dessen, dass das Gericht bereits die Freiheitsentziehung nicht als notwendig angesehen hatte, ersparte es sich weitere Ausführungen auf das detaillierte Vorbringen der Bundesrepublik zu der Frage der Beschränkung der Freiheitsentziehung zur Durchführung eines Strafverfahrens, mit welchem die Bundesrepublik für eine Überprüfung der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes plädiert hatte.

Nach deutschem Rechtsverständnis besteht zwar ein Widerspruch zwischen der Möglichkeit der Freiheitsentziehung zur Verhinderung von Straftaten gem. Artikel 5 Abs. 1 c MRK und der Beschränkung der Freiheitsentziehung auf Strafverfahren, da - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nach deutschem Recht nicht strafbar sind. Zur Verhinderung von Straftaten dient nach deutschem Rechtsverständnis der Präventivgewahrsam. Allerdings stellt sich dieser Widerspruch nicht im gesamten Geltungsbereich der MRK, da in anderen Rechtsordnungen bereits Vorbereitungshandlungen strafbar sind. Die Freiheitsentziehung kann also dazu dienen, den Betroffenen einem Strafverfahren wegen der Vorbereitungshandlung zuzuführen und damit gleichzeitig die weitere Ausführung der Straftat zu verhindern.

Die dem Bundesrecht (Art. 5 MRK) entgegenstehenden Regelungen des § 55 Abs. 1 Ziffer 2b SOG M-V sind gern Art. 31 GG nicht anzuwenden. Bereits der Text der landesrechtlichen Norm steht dem Bundesrecht entgegen. Eine Auslegung, die eine Vereinbarkeit beider Normen ermöglichen würde, sieht die Kammer nicht. Hinzu kommt noch die vorn EGMR vorgenommene Auslegung des § 5 MRK und die dabei festgestellte Unvereinbarkeit mit der landesrechtlichen Regelung.

Eine Entscheidung des Landgerichts über den weitergehenden Feststellungsantrag vorn 13.06.2007, festzustellen, dass die Art und Weise der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig war, und über den Feststellungsantrag vorn 02.03.2009, festzustellen, dass die Durchsuchung während des Gewahrsams, für die sich der Betroffene nackt ausziehen und sodann Kniebeuge vollziehen musste, rechtswidrig war, ist noch nicht veranlasst. Es soll dem Beschwerdeführer nochmals Gelegenheit gegeben werden, auch unter Berücksichtigung eines zwischenzeitlich erfolgten Anwaltswechsels, diesen Antrag vor dem zuständigen erstinstanzlichen Gericht zu stellen. Das Beschwerdegericht ist für eine Erstentscheidung über diese Anträge nicht zuständig.

Kommentar

Die Entscheidung ist die erste, die sich mit erfreulicher Klarheit auf die aktuelle Rechtsprechung des EGMR bezieht (8080/08 + 8577/08) und klarstellt, dass die EMRK einen Präventivgewahrsam, wie er in Deutschland praktiziert wird, nicht rechtfertigt.