Titel

VG Köln, Urteil vom 12.08.2010, Az. 20 K 7418/08
Ausstrahlungswirkung des Art. 8 GG auf strafprozessuales Vorgehen der Polizei

 


Zitiervorschlag: VG Köln, Urteil vom 12.08.2010, Az. 20 K 7418/08, zitiert nach POR-RAV


Teaser

Bei Auslegung des § 163b StPO ist die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu berücksichtigen.

Leitsatz

1.) Bei einem Aufenthaltsverbot im Vorfeld einer Demonstration ergibt sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bereits aus der Einschränkung der Grundrechte aus Art. 2 und Art. 8 GG.

2.) Bei Auslegung des § 163b StPO ist die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu berücksichtigen.

3.) Bei Zwischenfällen auf einer Demonstration ist die Polizei ist gehalten, gegen die störende Minderheit vorzugehen. Nur wenn dies keinen Erfolg verspricht, kann unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit die Versammlung aufgelöst werden und so auch den friedlichen Teilnehmern der Schutz des Art. 8 GG entzogen werden.

4.) Ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt bei Freiheitsentziehungen kann nicht durch logistische Probleme gerechtfertigt werden.

Volltext

TENOR

Es wird festgestellt, dass die Identitätsfeststellung am 19.09.2008 sowie das an den Kläger an diesem Tag ausgesprochene Aufenthalts- und Betretungsverbot für den Innenstadtbereich am 20.09.2008 rechtswidrig waren, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach und wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts sowie wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung die Identitätsfeststellung am 20.09.2008 die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten rechtswidrig waren.

GRÜNDE

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen.

Vom 19.09.2008 bis zum 21.09.2008 fand in Köln der von der Bürgerbewegung "pro Köln" organisierte sogenannte erste Anti-Islamisierungskongress (AIK) statt. Im Umfeld dieser Veranstaltung gab es vielfältige Protest- und Gegenveranstaltungen. Der Kläger wollte nach eigenen Angaben am 20.09.2008 am Heumarkt an einer Protestkundgebung gegen die ebenfalls auf dem Heumarkt geplante und angemeldete Versammlung des AIK teilnehmen.

Am 19.09.2008 verhängte der Beklagte gegen den Kläger nach Feststellung seiner Personalien ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot, mit welchem dem Kläger untersagt wurde, bis zum 20.09.2008, 20.00 Uhr, ein mittels Stadtplanauszug und schriftlicher Benennung der Grenzen bezeichnetes Gebiet der Kölner Innenstadt (den Heumarkt und seine Umgebung umfassend) zu betreten bzw. sich dort aufzuhalten.

Der Kläger befand sich am 20.09.2008 mit zunächst etwa 400 - 500 weiteren Personen im rechtsrheinischen Stadtgebiet an der Deutzer Brücke. Nach Angaben einer Sprecherin wollte die Gruppe einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen, um dort gegen die Veranstaltung von "pro Köln" zu protestieren. Nachdem der Beklagte zunächst nach dem Verbot der Veranstaltung von "pro Köln" gegen Mittag die Aufhebung der Sperrung der Deutzer Brücke in Aussicht gestellt hatte, wurde den bis dahin an der Deutzer Brücke noch anwesenden ca. 250 Personen kurz vor 16.00 Uhr mitgeteilt, dass die Brücke doch nicht freigegeben werde. In der Folge wollte sich die Personengruppe, zu der auch der Kläger gehörte, über die Siegburger Straße zur Severinsbrücke begeben, um ins linksrheinische Stadtgebiet zu gelangen. Auf der Siegburger Straße kam es zu einer Einkesselung der Personengruppe. Der Kläger wurde gegen 20.00 Uhr zur Gefangenensammelstelle (Gesa) nach Brühl gebracht. Dort wurden seine Personalien aufgenommen und ein Lichtbild gefertigt. Des Weiteren wurden die Taschen des Klägers durchsucht. Hintergrund für diese Maßnahmen war der Verlauf der Ereignisse auf der Siegburger Straße, welcher zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 125 StGB gegen den Kläger und eine Vielzahl weiterer Personen (ca. 242) führte (StA Köln 121 Js 48/09). Nach dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen sog. Mastersachverhalt setzte sich gegen 15.50 Uhr die noch an der Deutzer Brücke verbliebene Personengruppe im Laufschritt in Richtung Süden in Bewegung. Aus der Menschenmenge heraus wurde der Inhalt eines umgeworfenen Müllcontainers in Brand gesetzt. Der Müllcontainer sei mit Kunststoffabsperrgittern zu einer Barrikade zusammengefügt gewesen. Des Weiteren sei es aus der Menschenmenge zu Stein- und Eierwürfen auch auf Polizisten gekommen, wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Ein Teil der Gruppe habe eine Vermummung aus aufgezogener Kapuze und vor das Gesicht gezogenem Schal angelegt. In der im Mastersachverhalt enthaltenen polizeilichen Bewertung ist ausgeführt, in der Gruppierung seien an verschiedenen Stellen Tathandlungen von unterschiedlichen Personen vorgenommen worden, wobei die Gruppe insgesamt den Eindruck vermittelt habe, als Ganzes zu agieren. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde am 16.01.2009 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ausweislich des Aufnahmezettels der Gesa wurde die Freiheitsentziehung des Klägers als Festnahme und nicht als Ingewahrsamnahme eingestuft. Als Entlassungszeit ist 5.37 Uhr des 21.09.2008 angegeben. Die Kennfelder für Vernehmung und Vorführung sind jeweils mit einem "Nein" gekennzeichnet. Bezüglich des gefertigten Lichtbildes ist ausgeführt, dies solle nach § 81 b 1. Alt. StPO nicht gelöscht werden.

Der Kläger hat am 18.11.2008 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (isoliertes Prozesskostenhilfeverfahren) gestellt. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss der Kammer vom 24.03.2010 hat der Kläger am 27.03.2010 Klage erhoben, mit welcher er die Feststellung begehrt, dass die gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig waren.

Zunächst legt er dar, bezüglich der am 19.09.2008 vorgenommenen Maßnahmen bestehe im Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Er sei für die Personalienfeststellung zusammen mit anderen Personen in der belebten Innenstadt von Köln von einer großen Gruppe von Polizisten umstellt worden. Die Feststellung selbst sei in einem Polizeiwagen durchgeführt worden und habe nahezu eine Stunde in Anspruch genommen. Bei einem unbeteiligten Beobachter habe der Eindruck entstehen können, er habe gegen die Rechtsordnung verstoßen. Nach Ansicht des Klägers ist die Personalienfeststellung auch materiell rechtswidrig gewesen. Insoweit sei der zeitliche Bezug zu der am Folgetag stattfinden Protestveranstaltung zu würdigen: die rechtswidrige Erfassung seiner Daten beeinträchtige ihn nicht nur in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht, sondern auch in seiner Versammlungsfreiheit. Rechtswidrig sei auch das verhängte Aufenthaltsverbot, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 PolG NRW nicht vorgelegen hätten. Zudem sei die Maßnahme wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheits- und Versammlungsrecht rechtswidrig. Auch die vom 20. bis 21.09.2008 gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen hält der Kläger für rechtswidrig. In Bezug auf die Freiheitsentziehung legt er seine Auffassung dar, wonach diese bereits dem Grunde nach sowie wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Insoweit erläutert der Kläger, die Einkesselung habe sich auf eine nicht aufgelöste Spontan-Versammlung bezogen. Über eine Lautsprecherdurchsage sei den eingeschlossenen Personen mitgeteilt worden, dass sie in Gewahrsam genommen seien, wobei die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW seiner Auffassung nach nicht vorgelegen hätten. Dem Beklagten könne nicht gefolgt werden, soweit er angebe, es habe sich vorrangig um eine strafprozessuale Maßnahme gehandelt. Hiergegen spreche bereits, dass ihm zu keinem Zeitpunkt ein Tatvorwurf eröffnet bzw. er vernommen worden sei. Der Kläger verweist darauf, dass es möglich gewesen sei, seine Personalien bereits vor Ort aufzunehmen und dort auch Lichtbilder zu fertigen. Zu den Abläufen in der Gesa in Brühl erläutert der Kläger, er habe trotz seiner Äußerung, er sei hungrig und durstig, zunächst nichts zu essen oder trinken bekommen, sondern sei zu der mit Nr. 9 bezeichneten Gewahrsamseinrichtung gebracht worden. Erst gegen 22.30 Uhr habe er einen Becher Wasser erhalten und sei auf seinen Wunsch hin zur Toilette begleitet worden. In der Gewahrsamseinrichtung habe sich kein Mobiliar befunden. Erst auf Nachfrage seien ihm lediglich eine Isomatte und später ein dünnes Laken ausgehändigt worden. Dies erachte er als unzureichend, zumal in der Nacht die Temperatur auf 6 ° Celsius gefallen und die Halle stündlich belüftet worden sei. Erst gegen 23.30 Uhr habe er eine halbe Birne und eine halbe Scheibe Brot mit Käse sowie weitere Becher Wasser und Apfelsaft erhalten. Zusammen mit 31 weiteren Personen habe er sich in den nächsten Stunden in der Gewahrsamseinrichtung Nr. 9 befunden. Erst gegen 5.30 Uhr am 21.09.2008 sei er hinausgeführt und die ihm abgenommenen Gegenstände seien ihm ausgehändigt worden. Sodann sei er in einen Gefangentransporter verbracht worden, welcher zum Bahnhof in Brühl gefahren sei. Dort sei er um 6.30 Uhr in die Freiheit entlassen worden. Der Kläger macht geltend, dass er spätestens nach der Identitätsfeststellung um 21.00 Uhr habe entlassen werden müssen. Zudem habe der Beklagte den Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 GG und § 36 PolG NRW nicht beachtet, wenn er die Festgenommenen nicht einem Richter vorgeführt habe und bei einer Auslegung der Gesa auf 200 Gefangene nur eine Richterin vor Ort gewesen sei. Materiell rechtswidrig sei überdies die Identitätsfeststellung. Die Voraussetzungen des § 12 PolG NRW seien nicht erfüllt gewesen, da er keiner Straftat verdächtig gewesen sei. Gleiches gelte für die Anfertigung von Lichtbildern. Insoweit seien weder die Voraussetzungen des § 14 PolG NRW noch des § 81 b 2. Alt StPO gegeben. Die Rechtswidrigkeit des Gewahrsams schlage schließlich auf die durchgeführte Durchsuchung durch. Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Identitätsfeststellung und das ihm erteilte Aufenthalts- und Betretungsverbot durch den Beklagten am 19.09.2008, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis 21.09.2008 dem Grunde nach, wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung, die Identitätsfeststellung, die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten am 20.09.2008 rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte legt dar, zu dem am 19.09.2008 ausgesprochenen Betretungs- und Aufenthaltsverbot könne in der Sache nicht Stellung genommen werden, da keine Unterlagen mehr vorlägen. Aus diesem Grund könne nicht mehr nachvollzogen werden, zu welchem genauen Zeitpunkt, wo und aus welchem Grunde die Verfügung gegen den Kläger erlassen worden sei. In Bezug auf die Maßnahmen vom 20.09.2008 legt der Beklagte dar, im Hinblick auf erwartete gewalttätige Ausschreitungen und der Erfahrungen aus vorangegangenen Veranstaltungen von "pro Köln" sei in Brühl die sogenannte Gesa 200, welche auf die Aufnahme von ca. 200 Personen ausgerichtet gewesen sei, geschaffen worden. Tatsächlich habe sich die Polizei mit der Situation konfrontiert gesehen, dass an allen Sicherheitssperren, die zum Schutz der Versammlung des rechten politischen Spektrums eingerichtet worden seien, sich große Menschenansammlungen gebildet hätten, die teilweise in 20er Reihen vor den Sperren gestanden hätten und immer wieder dazu aufgerufen hätten, keine "Rechten" auf das Kundgebungsgelände zu lassen. Daneben seien Personen, die "bürgerlich normal" gekleidet gewesen seien und sich so dem "Verdacht" ausgesetzt hätten an dem Anti-Islamisierungskongress teilzunehmen, in Form von Sprechchören aufgefordert worden "abzuhauen". Die Personen seien gezielt körperlich angegangen, teilweise sogar geschlagen und getreten und somit faktisch aus dem Bereich um das Kundgebungsgelände vertrieben worden. Maßnahmen der Polizei zum Schutz der Betroffenen seien durch das Blockadeverhalten vielfach unmöglich gemacht worden. Mit dieser Intensität und der Aggressivität des Störerverhaltens habe im Vorfeld nicht gerechnet werden können, weshalb die Gesa 200 nicht ausreichend groß ausgelegt gewesen sei. Bezüglich der Einkesselung legt der Beklagte dar, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sie habe um 16.02 Uhr mit der Einschließung der Personengruppe in der Siegburger Straße durch die Bereitschaftspolizeiabteilung Bochum begonnen. Der Kläger sei in der Gesa Brühl um 19.50 Uhr aufgenommen worden. Um 20.51 Uhr habe man ein Lichtbild von ihm gefertigt. Rechtsgrundlage sei § 8 PolG NRW gewesen. Am Folgetag (21.09.2008) sei der Kläger um 5.37 Uhr entlassen worden. Dabei sei das gefertigte Lichtbild zunächst nicht gelöscht worden, da es für die Beweisführung im Strafverfahren von Bedeutung sei. Die Zeitspanne zwischen der formellen Entlassung und der tatsächlichen Entlassung (Verlassen der Liegenschaft in Brühl) erkläre sich daraus, dass aus personellen Gründen nicht jeder Entlassene durch die Liegenschaft zum Tor habe begleitet werden können. In der Binnenorganisation hätten ab 19.00 Uhr alle Personalkapazitäten auf die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen sowie die vorrangige Abwicklung der Freiheitsentziehungen mit dem Ziel der Übergabe an die Sorgeberechtigten oder das Jugendamt konzentriert werden müssen. Nach 21.45 Uhr sei eine deutliche Entspannung der Situation eingetreten, so dass generelle Vorkehrungen zur Entlassung aller festgehaltenen Personen getroffen worden seien. Gleichwohl hätten zu diesem Zeitpunkt auch noch parallel Identitätsfeststellungen aus strafprozessualen Gründen nach § 163 b StPO vorgenommen werden müssen. Ein darüber hinaus gehendes Festhalten aus polizeirechtlichen Gründen sei nicht erforderlich gewesen, da eine Gefahrenprognose nicht bestanden habe. Die Tatsache, dass in der Gesa 200 letztlich mehr als 800 Personen eingeliefert worden seien und die sich hieraus ergebenden Folgen seien für den Kläger zwar unangenehm gewesen. Dies führt nach Auffassung des Beklagten jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahmen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Ferner wird auf das Parallelverfahren 20 K 6004/09 und die dort beigezogenen Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO ist bezüglich sämtlicher Streitgegenstände eröffnet, weil der Kläger geltend macht, der Beklagte habe die vorgenommenen Maßnahmen teilweise zwar auf die Strafprozessordnung gestützt, faktisch habe es sich jedoch um eine polizeirechtliche Ingewahrsamnahme gehandelt.

Nach der Rechtsprechung des OVG NRW, vgl. Beschluss vom 07.07.2006 - 5 E 584/06 -, kommt es bei einem "doppelfunktionalen" Tätigwerden der Polizei nicht auf das Schwergewicht der streitigen polizeilichen Tätigkeit an. Vielmehr komme eine Verweisung an das Amtsgericht allein dann in Betracht, wenn der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht schlechthin, d.h. mit allen für den Klageanspruch in Betracht kommenden Klagegründen unzulässig sei. Dies sei auf Grund des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht den vom Kläger als Ingewahrsamnahme angesehenen Sachverhalt unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen.

Des Weiteren besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse: Dies ergibt sich im Hinblick auf das Aufenthaltsverbot bereits aus der Einschränkung der Grundrechte des Klägers aus Art. 2 und Art. 8 GG. Aber auch bezüglich der in ihrer Eingriffsintensität im unteren Bereich anzusiedelnden Personalienfeststellung folgt hier ein Feststellungsinteresse aus der Art und Weise der Durchführung der Maßnahme, welche nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers hier diskriminierende Wirkung hatte, vgl. zum Feststellungsinteresse insoweit BVerwG, Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, S. 2534; VGH BaWü, Urteil vom 16.11.1999 - 1 S 1315/98 -, Juris. Bezüglich der am 20.09.2008 vorgenommenen Festnahme ergibt sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse bereits daraus, dass der Eingriff in die Freiheit einer Person einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellt, der regelmäßig dem Richter vorbehalten ist (Art. 104 Abs. 2 GG). Wegen der übrigen Maßnahmen folgt das Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, da nach dem typischen Verfahrensablauf sich die belastende Wirkung auf eine Zeitdauer beschränkt, in der Rechtsschutz in der Instanz regelmäßig nicht zu erlangen sein wird, vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.02.1999 - 2 BvR 804/97 -, NJW 99, S. 3773.

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf die am 19.09.2008 vorgenommenen polizeilichen Maßnahmen: Insoweit sind in der Akte keine Tatsachen dokumentiert, die eine rechtliche Bewertung des polizeilichen Vorgehens ermöglichen würden. In Bezug auf die Personalienfeststellung kann somit weder festgestellt werden, dass die Maßnahme durch § 12 PolG NRW, noch dass sie durch § 163 b StPO getragen wird.

Gleiches gilt für das Aufenthalts- und Betretungsverbot. Ein solches kann nach § 34 Abs. 2 PolG NRW nur verhängt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Tatsachen hat der Beklagte nicht vortragen können.

Die Klage ist auch bezüglich der am 20.09.2008 verhängten Maßnahmen begründet. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach rechtswidrig war. Als Freiheitsentziehung ist zunächst die Einkesselung des Klägers mit anderen Personen auf der Siegburger Straße zu bewerten, ebenso wie die in der Folgezeit veranlasste Verbringung des Klägers zur Gefangenensammelstelle in Brühl sowie das dortige Festhalten bis zum nächsten Morgen. Als Rechtsgrundlage für diese Einschließung kommt allein § 163 b StPO in Frage, da der Beklagte die Maßnahme ausdrücklich auf diese Rechtsgrundlage gestützt hat. Zwar ist in einer Presseerklärung der Polizei die Rede davon, dass in der Rheingasse ca. 150, an der Malzmühle/Filzengraben ebenfalls ca. 150 und in der Siegburger Straße ca. 200 Personen zur Verhinderung weiterer Straftaten und wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs in Gewahrsam genommen worden seien. Auch wird im Parallelverfahren 20 K 6004/09 in einem Auskunftsschreiben an den dortigen Prozessbevollmächtigten erläutert, bei den Vorfällen, die zur Einschließung der dortigen Klägerin geführt hätten, seien sowohl Aspekte der Gefahrenabwehr mit den rechtlichen Bedingungen aus dem Polizeigesetz NRW als auch der Strafverfolgungsanspruch des Staates mit den entsprechenden Normen der Strafprozessordnung (StPO) zu berücksichtigen. Im weiteren Verlauf wird dann allerdings ausgeführt, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sowohl in der Klageerwiderung des Parallelverfahrens als auch im Schriftsatz des Beklagten im hiesigen Verfahren vom 24.07.2009 wird die Maßnahme ausdrücklich auf § 163 b StPO gestützt. Ausgehend von dieser Erklärung des Beklagten, welche eine Konkretisierung der in seinem Ermessen stehenden Handlungen darstellt, war das Gericht gehalten, den Sachverhalt unter diesem als ausschlaggebend erachteten Gesichtspunkt rechtlich zu würdigen. Ein Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage durch das Gericht kommt bei Ermessensentscheidungen nicht in Betracht, vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, Juris.

Die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO liegen nicht vor: Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes nach § 163 b StPO die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Ferner darf der Verdächtige festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Bei der Auslegung dieser Ermächtigungsnorm ist vorliegend die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 dieser Norm haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG liegt vor bei einer örtlichen Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 f. Vorliegend kann eine Bewertung, ob die auf dem Weg zur Severinsbrücke befindliche Personengruppe als Spontanversammlung einzustufen ist, nur anhand von Indizien vorgenommen werden, zumal eine nähere Aufklärung des Charakters der Zusammenkunft in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war. Hier ist davon auszugehen, dass sich der Kläger im Zeitpunkt seiner Einkesselung in einer nicht aufgelösten Spontanversammlung befunden hat. Für eine Spontanversammlung spricht der Akteninhalt: So ist im Schlussvermerk der polizeilichen Ermittlungen die Rede davon, dass die an der Deutzer Brücke befindlichen Personen einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen wollten. Um einen Aufzug dürfte es sich auch gehandelt haben, als sich die noch anwesenden Gegendemonstranten in Richtung Severinsbrücke in Bewegung setzten, nachdem ihnen mitgeteilt worden war, dass die Deutzer Brücke weiterhin gesperrt bleiben werde. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass die Gruppe im Frontbereich ein Plakat mit sich führte mit der Aufschrift: "Gegen Rassismus vorgehen www.antifa.kok.de". Auch wurden dem Mastersachverhalt zufolge "Antifa, Antifa" und ähnliche, dem linken Spektrum zuzuordnende Gesänge skandiert. Die Bewertung, dass es sich um eine Spontanversammlung gehandelt hat, wird im Übrigen gestützt durch die Einschätzung von zwei im Dienst befindlichen Polizeibeamten, welche als Zeugen im Strafverfahren StA Köln 121 Js 48/09 vernommen worden waren. Die Zeugen haben dargelegt, die restlichen Personen hätten beschlossen "einen spontanen Aufzug zu machen und zwar die Sieburger Str. in Rtg. Süden" entlang. bzw. die 100 - 120 (verbliebenen) Personen hätten sich gegen 15.50 Uhr "in Form eines Aufzuges" in Bewegung gesetzt. Aus dem "Demozug" seien Gegenstände geworfen worden. Der Polizeiführer habe den "Demozug" stoppen und umschließen lassen. Handelt es sich somit um eine Spontanversammlung, so genießt die Teilnahme des Klägers den erhöhten Schutz des Art. 8 GG. Dies bedeutet, dass polizeirechtliche Maßnahmen grundsätzlich nicht ergriffen werden dürfen, solange die Versammlung nicht aufgelöst ist (sog. Polizeifestigkeit der Versammlung), vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.01.197 - 1 B 219/86 -, NVwZ 1988 250; OVG NRW Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, NVwZ 2001, 1315 f. Demgegenüber schützt die Versammlungsfreiheit grundsätzlich nicht vor der Einleitung berechtigter Strafverfolgungsmaßnahmen, denn die Teilnahme an einer Versammlung ist nur geschützt, wenn sie friedlich und ohne Waffen erfolgt, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07 -; OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 - Juris. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Frage der Friedlichkeit einer Versammlung ausgeführt, dass es auf den einzelnen Demonstrationsteilnehmer ankommt und diesem der Schutz der Versammlungsfreiheit auch dann erhalten bleibt, wenn mit Ausschreitungen durch Einzelne oder eine Minderheit zu rechnen ist. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit darf nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Eine Notwendigkeit zu freiheitsbeschränkenden Eingriffen kann sich im Bereich der Versammlungsfreiheit daraus ergeben, dass der Demonstrant bei deren Ausübung Rechtspositionen Dritter beeinträchtigt. Auch bei solchen Eingriffen haben die staatlichen Organe die grundrechtsbeschränkenden Gesetze stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat auszulegen und sich bei ihren Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 (Brokdorf II), - 1 BvR 233/81; 1 BvR 341/81, Juris).

Bei dem hier in Rede stehenden Vorwurf des Landfriedensbruchs nach § 125 StGB gilt nach der maßgeblichen Rechtsprechung der Strafgerichte Folgendes: Für eine Beteiligung an einem Landfriedensbruch nach § 125 Abs. 1 StGB genügt es nicht, bloßer Teil der "Menschenmenge" gewesen zu sein, aus der heraus die Gewalttätigkeiten begangen wurden. Vielmehr gelten die allgemeinen Teilnahmegrundsätze der §§ 25 ff StGB, vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2008, - 4 StR 368/08, Juris. Danach stellt das bloß inaktive Dabeisein oder Mitmarschieren weder eine psychische Beihilfe noch ein bestimmte Gewalttätigkeiten auf andere Weise unterstützendes Verhalten dar. Dies gilt auch dann, wenn der einzelnen Demonstrant, wie es die Regel sein wird, mit der Gewalttätigkeit einzelner oder ganzer Gruppen rechnet und weiß, dass er allein schon mit seiner Anwesenheit den Gewalttätern mindestens durch Gewährung von Anonymität Förderung und Schutz geben kann. Erforderlich für eine strafrechtlich relevante Teilnahmehandlung ist vielmehr die Feststellung, dass die Gewährung von Anonymität und die Äußerung von Sympathie darauf ausgerichtet und geeignet sind, Gewalttäter in ihren Entschlüssen und Taten zu fördern und zu bestärken, etwa durch Anfeuerung oder ostentatives Zugesellen zu einer Gruppe, aus der heraus Gewalt geübt wird, vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1984 - VI ZR 37/82 -, BGHZ 89, 383 ff. Für die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen ist nicht entscheidend, ob sich der Strafverdacht letztlich bestätigt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Verdacht eines strafbaren Verhaltens von einer hinreichenden objektiven Tatsachengrundlage getragen war, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07-. Allerdings darf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht dadurch unterlaufen werden, dass an die Bejahung der Teilnahme an Gewaltakten zu geringe Anforderungen gestellt werden. Da sich Gewalttätigkeiten kaum jemals ganz ausschließen lassen, liefe der einzelne Versammlungsteilnehmer ansonsten Gefahr, allein wegen des Gebrauchmachens von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Strafverfolgungsmaßnahmen überzogen zu werden, vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 - Juris. Des Weiteren würden Unfriedlichkeiten einzelner Versammlungsteilnehmer ansonsten dazu führen, die Demonstration "umzufunktionieren" und gegen den Willen der anderen Teilnehmer rechtswidrig werden zu lassen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985, a.a.O.. Aus diesem Grunde ist die Polizei gehalten, gegen die störende Minderheit vorzugehen. Nur wenn dies keinen Erfolg verspricht, kann unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit die Versammlung aufgelöst werden und so auch den friedlichen Teilnehmern der Schutz des Art. 8 GG entzogen werden. Im vorliegenden Fall sind aus der Menge heraus Straftaten verübt worden (Stein- und Eierwürfe auf Polizisten, Inbrandsetzung von Müllcontainern, Bildung von Barrikaden, Vermummung), wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Gegen drei Personen, denen Straftaten gegen das Versammlungsgesetz durch Vermummung oder Bewaffnung zur Last gelegt wurden, wurden gesonderte Verfahren angelegt ebenso gegen zwei Personen wegen Beleidigung. Des Weiteren gab es einen konkret zuzuordnenden Tatvorwurf gegen ein Kind sowie Strafvorwürfe aufgrund der Videoauswertung gegen sieben weitere Tatverdächtige, die nicht identifiziert werden konnten. Ausgehend davon, dass in Bezug auf den Kläger keine konkreten Tatsachen vorliegen, dass dieser sich einer Teilnahmehandlung an einem Landfriedensbruch schuldig gemacht haben könnte, liegt ein Straftatverdacht, welcher nach § 163 b StPO eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung rechtfertigen könnte, nicht vor. Insofern kann auch ein gemeinschaftliches Handeln nicht daraus abgeleitet werden, dass sich die gesamte Gruppe "plötzlich" im Laufschritt in Bewegung gesetzt habe. Dass auch der Beklagte selbst den Schwerpunkt seines Vorgehens nicht auf Strafverfolgung gelegt hat, wird indiziell dadurch belegt, dass dem Kläger kein Strafvorwurf eröffnet und er hierzu auch nicht vernommen worden ist. Auch nach seiner Entlassung am Folgetag ist der Kläger, dessen Identität ja bekannt war, nicht zwecks Durchführung weiterer Ermittlungen vorgeladen worden. Insofern hält das Gericht die Einschätzung des Beklagten, für die gesamte Gruppe habe der Anfangsverdacht des Landfriedensbruchs bestanden, vgl. Bericht des PD Kaiser vom 21.09.2008 (Bl. 29 f des Verwaltungsvorgangs im Parallelverfahren 20 K 6004/09), bzw. die Feststellungen im Mastersachverhalt, Tathandlungen seien an verschiedenen Stellen von unterschiedlichen Personen durchgeführt worden, aber die Gruppe habe insgesamt den Eindruck vermittelt, als Ganzes zu agieren, angesichts der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht für tragfähig. Die Einleitung strafprozessualer Maßnahmen gegen sämtliche Teilnehmer einer Versammlung kommt im Ergebnis deren Auflösung gleich und hindert auch die friedlichen Versammlungsteilnehmer an der Ausübung ihres Grundrechts. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der damit rechnen muss, dass er nach seiner Teilnahme an einer nicht verbotenen und auch nicht ausdrücklich aufgelösten Versammlung einer Identitätsfeststellung unterzogen, fotografiert und zum Polizeipräsidium bzw. einer Gefangenensammelstelle gebracht wird, es sich künftig genau überlegen wird, ob er von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen will, vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010, a.a.O.

Lagen die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO mangels Anfangsverdachtes gegen den Kläger nicht vor, so stellt sich die hierauf gestützte Einkesselung zum Zwecke der Ermöglichung der Identitätsfeststellung als rechtswidrig dar. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die nach § 163 b S. 1 2. Alt. StPO i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 1 StPO gebotene Belehrung über den Strafvorwurf - soweit ersichtlich - nicht erfolgt ist, vgl. hierzu: KG Berlin, Urteil vom 12.06.2002 - (5) 1 Ss 424/00 86/01) - , Juris. War bereits die Freiheitsentziehung durch die Einkesselung nicht durch § 163 b StPO gerechtfertigt, so gilt dies wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erst Recht bezüglich der Verbringung zur Gefangenensammelstelle nach Brühl. Insoweit drängt sich die Frage auf, warum die Identität des Klägers nicht bereits vor Ort festgestellt werden konnte. Der Kläger hat hierzu - ohne dass dies vom Beklagten bestritten worden wäre - erklärt, er habe seinen Ausweis mit sich geführt und sei bereit gewesen, sich vor Ort auszuweisen. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, es habe nicht genügend Personal für eine Identitätsfeststellung vor Ort zur Verfügung gestanden, sind die Angaben des Beklagten für das Gericht mangels konkreter Zahlen nicht überprüfbar. Allerdings ist zu bedenken, dass mit der Verbringung der eingeschlossenen Personen nach Brühl ebenfalls ein erheblicher logistischer Aufwand verbunden war. Des Weiteren berücksichtigt das Vorgehen des Beklagten nicht in genügendem Maße das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit: Mit der Verbringung nach Brühl wurde der Kläger an der weiteren Ausübung seines Versammlungsrechts gehindert. Allein dieser Umstand rechtfertigt die Durchführung eines mit einer Identitätsfeststellung vor Ort eventuell verbundenen erhöhten logistischen Aufwandes. Hinzu kommt, dass der Beklagte sich in Parallelfällen offenbar auf die Durchführung einer Identitätsfeststellung vor Ort beschränkt hat: So ist es nach den Presseerklärungen des Beklagten an insgesamt drei Orten zu Einschließungen gekommen, wobei 469 Personen vor Ort entlassen wurden und 410 Personen nach Brühl gebracht wurden. Die Freilassungen betrafen auch nicht ausschließlich Jugendliche, denn bei den insgesamt betroffenen 879 Personen waren 3 Kinder und 232 Jugendliche, von denen 168 vor Ort entlassen und 64 nach Brühl gebracht wurden. Dies bedeutet, dass bei den drei genannten Einschließungen von insgesamt 644 Erwachsenen 301 vor Ort entlassen wurden. Für den hier relevanten Bereich der Siegburger Straße soll nach dem Vorbringen der Klägerin des Verfahrens 20 K 6004/09 sieben Personen die Möglichkeit eröffnet worden sein, nach Personalienfeststellung den Ort zu verlassen. Ein Grund dafür, warum ein Teil der erwachsenen eingeschlossenen Personen zur Gesa nach Brühl gebracht wurde, ein anderer Teil jedoch vor Ort entlassen wurde, ist nicht erkennbar geworden. Eine Rechtsgrundlage für das Festhalten des Klägers nach Feststellung seiner Personalien bis zum nächsten Morgen ist nicht ersichtlich. Selbst für den Fall, dass die Personalienfeststellung um 21.00 Uhr nach § 163 b StPO gerechtfertigt gewesen sein sollte, ist das weitere Festhalten über einen Zeitraum von 8 - 9 Stunden (Gesamtdauer der Freiheitsentziehung 14 Stunden) unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt. Nach § 163 c Abs. 1 Satz 1 StPO in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung darf eine von einer Maßnahme nach § 163 b StPO betroffene Person in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität unerlässlich festgehalten werden.

Die Freiheitsentziehung war des Weiteren rechtswidrig, weil der Richtervorbehalt nicht eingehalten wurde. Nach Art. 104 Abs. 2 GG hat nur der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden. Diese verfassungsrechtliche Anforderung findet ihre einfachgesetzliche Konkretisierung in § 163 c Abs. 1 Satz 2 StPO, der eine unverzügliche Vorführung vor einen Richter vorsieht. Zu beanstanden ist in diesem Kontext die Vorgehensweise des Beklagten, der diensthabenden Richterin des Amtsgerichts Köln, welche in der Gefangenensammelstelle in Brühl zugegen war, jedenfalls ab den Abendstunden keine Gefangenen mehr vorzuführen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Richterin nach dem unwidersprochenen Vortrag im Parallelverfahren 20 K 6004/09 zwischenzeitlich mitgeteilt worden war, sämtliche Festgenommenen würden entweder in Köln oder vor Ort entlassen. Der Verstoß gegen den Richtervorbehalt kann auch nicht durch die ins Feld geführten logistischen Probleme und der vorrangigen Betreuung von Jugendlichen gerechtfertigt werden. Letztlich überschritt die Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung auch die in § 163 c Abs. 3 StPO a.F. vorgesehene Höchstdauer von 12 Stunden.

Überdies war die Freiheitsentziehung ihrer Art und Weise wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig. Es mag dahin stehen, welche Anforderungen an die Unterbringung im Hinblick auf die Polizeigewahrsamsordnung für das Land Nord-Rhein-Westfalen in der zur Zeit der Inhaftierung maßgeblichen Fassung im einzelnen gebieten, da die Gewahrsamsordnung auch länger andauernde Gewahrsame im Blick hat wie etwa die Vorschriften über den Postverkehr und die Besuche zeigen. Die Rechtswidrigkeit der den Kläger betreffenden Unterbringung liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Vorkehrungen des Beklagten auf einen kurzfristigen Gewahrsam von wenigen Stunden zugeschnitten gewesen sein mögen, den Erfordernissen bei einem Festhalten über einen Zeitraum von insgesamt 14 Stunden (davon 9 Stunden in der Gesa) nicht gerecht werden. Angesichts dieser Zeitdauer teilt das Gericht auch nicht die Sichtweise, wonach es sich um bloße Unannehmlichkeiten gehandelt habe, welche sich auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht auswirken.

Aus den vorstehenden Darlegungen zur Freiheitsentziehung folgt zugleich, dass die Klage hinsichtlich der gesondert beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung begründet ist. Wie oben dargelegt, waren die Voraussetzungen des § 163 b StPO nicht erfüllt.

Die Klage ist des Weiteren begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Aufnahme von Lichtbildern rechtswidrig war. Die Aufnahme von Lichtbildern hat der Beklagte nach eigenem Vorbringen auf der Grundlage des § 8 PolG NRW vorgenommen. Diese Ermächtigungsgrundlage trägt die Maßnahme nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf das Vorliegen spezieller Ermächtigungsnormen (§ 14 PolG NRW und § 81 b StPO) nicht. Im Übrigen ist auch eine polizeiliche Gefahr nicht ersichtlich.

Schließlich ist die Klage begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine Durchsuchung rechtswidrig war. Die Durchsuchung als Annexmaßnahme zur Festnahme war infolge deren Rechtswidrigkeit ebenfalls rechtswidrig. Dass daneben die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW vorliegen, ist nicht ersichtlich, wobei der Beklagte die Dursuchung auch nicht auf diese Norm gestützt hat.

Kommentar

Dem Gericht ist uneingeschränkt beizupflichten, wenn es festhält, dass die Einleitung strafprozessualer Maßnahmen gegen sämtliche Teilnehmer einer Demonstration im Ergebnis deren Auflösung gleichkommt. Siehe auch VG Düsseldorf vom 21. April 2010 (Az. 18 K 3033/09): Die Demonstrationsfreiheit darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass an die Bejahung der Teilnahme an Gewaltakten zu geringe Anforderungen gestellt werden.