Titel

VG Mainz, Urteil vom 08.10.2020, Az. 1 K 581/19.MZ


Fahnen und Bilder - Kurdische Farben und Abdullah Öcalan

 


Zitiervorschlag: VG Mainz, Urteil vom 08.10.2020, Az. 1 K 581/19.MZ, zitiert nach POR-RAV


Beschluss noch nicht rechtskräftig!
Letzte Bearbeitung: 19.02.2021, 15:11

Teaser

1. Waagerecht gestreifte gelb-rot-grüne Fahnen sind de facto das Symbol der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (kurdisch: Rojava).

2. Eine Versammlung mit der Forderung "Freiheit für Öcalan" und dem Zeigen gelb-rot-grüner Fahnen ist erlaubt.

3. Gelb-rot-grüne Fahnen mit dem Abbild Abdullah Öcalans sind verboten.

Leitsatz

1. Die Absicht, auch zukünftig Versammlungen mit streitgegenständlichen Fahnen durchzuführen, reicht für das Fortsetzungsfeststellungsinteresse jedenfalls dann aus, wenn die Versammlungsbehörde eine zukünftige Versammlung voraussichtlich verbieten wird.

2. Die Fahne der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (kurdisch: Rojava) - kurdische Fahne - ist kein Kennzeichen der verbotenen PKK und damit auch nicht verwechslungsfähig im Sinne des § 9 Abs. 3 VereinsG.

3. Die gestreiften gelb-rot-grünen Fahnen sind keine Symbole der PKK, ihre Verwendung ist nicht strafbar nach § 20 VereinsG.

4. Das alleinige Verbot der Fahnen mit dem Abbild Öcalans hätte als Auflage zur Durchführung der Versammlung ausgereicht.

Volltext



TENOR

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat;

im Übrigen wird festgestellt, dass das während der Versammlung „Freiheit für Öcalan, Unterstützung für Personen im Hungerstreik“ am 5. Januar 2019 in Mainz durch den Beklagten ausgesprochene Verbot, die mitgeführten Fahnen in gelb-rot-grünen Längsstreifen zu zeigen, rechtswidrig gewesen ist.

Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte zu tragen……

TATBESTAND

Die Klägerin wendet sich gegen das Verbot, auf einer Versammlung waagerecht gelb-rot-grün gestreifte Fahnen sowie solche, die das Porträt Abdullah Öcalans abbilden, zu zeigen.

Herr X als Versammlungsleiter und die Klägerin als dessen Vertreterin meldeten für den 5. Januar 2019 auf dem Bahnhofsvorplatz in Mainz eine Versammlung zu dem Thema „Freiheit für Öcalan, Unterstützung für Personen im Hungerstreik“ an. Dem geplanten Aufzug lag eine Auflagenverfügung der Stadt Mainz vom 4. Januar 2019 zugrunde. Darin wurde auf die Strafbarkeit aller Handlungen hingewiesen, mit denen aktiv direkt für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) oder deren Nachfolgeorganisationen geworben werde. Dies betreffe z.B. das Zeigen von PKK-Flaggen und anderen Symbolen oder das Skandieren von entsprechenden Sprechchören.

Am Versammlungstag wurden gegen 14:00 Uhr Fahnen mit gelb-rot-grünen Streifen und solche mit dem Porträt Öcalans gezeigt. Auf letzteren war das lächelnde Gesicht Öcalans, gestützt auf seine Handinnenfläche, sowie der in verschiedene Sprachen übersetzte Schriftzug „Freiheit für Öcalan“ abgebildet. Auch diese Fahnen wiesen die Farben Gelb, Rot und Grün auf.

Die Versammlungsleitung um die Klägerin wurde polizeilich aufgefordert, diese Fahnen wieder einzurollen, da auf diesen verbotene Zeichen dargestellt würden. Dem kamen die Versammlungsteilnehmer zunächst nicht nach. Die Polizeibeamten wiesen die Klägerin darauf hin, dass der Aufzug nicht stattfinden könne, würden die Fahnen nicht eingerollt.

Gegen 14:30 Uhr teilte die Klägerin mit, dass sie die Versammlung lieber auflöse, als den Aufzug ohne Fahnen mit dem Abbild Öcalans durchzuführen. Am Ende der Abschlusskundgebung rief die Klägerin über die Lautsprecheranlage „Bijî serok Apo“ („Es lebe der Führer Apo“).

Am 21. Juni 2019 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung trägt sie vor, sie habe mit den streitgegenständlichen gelb-rot-grün gestreiften Fahnen, bei denen es sich um die Fahne der Demokratischen Föderation Nordsyrien bzw. von Rojava handele, ihre Solidarität mit dieser zum Ausdruck bringen wollen, deren Gebiet zum Zeitpunkt der Versammlung militärisch durch die Türkei bedroht gewesen sei. Die Fahne der Demokratischen Föderation Nordsyrien repräsentiere für sie ein Regierungsmodell, das als Blaupause für ein künftiges dezentralisiertes und demokratisches System in Syrien und der Türkei dienen könne. Es bestehe ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sowohl aufgrund des mit dem Verbot der Fahnen verbundenen schwerwiegenden Grundrechtseingriffs als auch aufgrund der Wiederholungsgefahr. Sie beabsichtige, auch in Zukunft Versammlungen zu organisieren, auf denen die gelb-rot-grün gestreiften Fahnen der Demokratischen Föderation Nordsyrien gezeigt werden sollen. Das Verbot, die gelb-rot-grün gestreifte Fahne zu zeigen, sei rechtswidrig gewesen. Die von ihr und den weiteren Teilnehmern der Versammlung gezeigten Fahnen seien weder verboten gewesen noch stellten sie Kennzeichen einer von einem Betätigungsverbot betroffenen Organisation dar. Der Beklagte habe verkannt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Fahnen um jene der Demokratischen Föderation Nordsyrien handele. Er habe insofern auf einer falschen Tatsachengrundlage entschieden und somit rechtswidrig gehandelt.

Es handele sich dabei auch nicht um die Fahne der Partiya Yekîtiya Demokrat (PYD). Zwar zeige die PYD als führende politische Kraft in Rojava auch die gelb-rot-grüne Föderationsfahne, daraus lasse sich allerdings nicht schlussfolgern, dass es sich bei der Rojava-Fahne auch um eine Fahne der PYD handele.

Das Verbot der Fahnen mit der Abbildung Öcalans sei ebenfalls rechtswidrig gewesen. Diese wiesen einen Bezug zum Versammlungsthema auf, bei dem es um den Hungerstreik der türkisch-kurdischen HDP-Abgeordneten Leyla Güven aus Protest gegen die langjährige Isolationshaft Öcalans gehe, dem sich mehr als 3.000 Häftlinge in der Türkei angeschlossen hätten. Aus dem Zusammenspiel von Versammlungsmotto und der Abbildung auf den Fahnen werde deutlich erkennbar, dass die persönliche Situation des Gefangenen Öcalan im Vordergrund stehe. Es liege daher der in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahmetatbestand vor, wonach das Zeigen einer Abbildung Öcalans wegen der fundamentalen Bedeutung der Meinungsfreiheit keine Werbung für einen verbotenen Verein darstelle. Mit ihrem Ausruf „Bijî serok Apo“ habe sie – die Klägerin – das Lebensrecht des ehemaligen PKK-Vorsitzenden einfordern wollen und in zulässiger Weise von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht.

Durch die Verbotsverfügungen seien die Versammlungsteilnehmer eines ihrer wichtigsten Mittel beraubt worden, um ihrem Anliegen auch optisch durch größere Wahrnehmbarkeit Ausdruck zu verleihen. Eine effektive Wahrnehmung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit sei unter diesen Umständen nicht mehr möglich gewesen, weswegen der Aufzug schließlich nicht mehr durchgeführt worden sei. Die Sichtweise des Beklagten, die die gelb-rot-grüne Farbkombination von vornherein als „PKK-Farben“ und die Fahne von Rojava „als ein von der PKK usurpiertes Kennzeichen“ illegalisiere, lasse Kurdinnen und Kurden kaum Raum, ihrer Solidarisierung sichtbar Ausdruck zu verleihen.

Ursprünglich hat die Klägerin mit Klageschrift vom 17. Juni 2019 beantragt,

festzustellen, dass das während der Versammlung „Freiheit für Öcalan, Unterstützung für Personen im Hungerstreik“ am 5. Januar 2019 in Mainz durch den Beklagten ausgesprochene Verbot, die mitgeführten Fahnen in gelb-rot-grünen Längsstreifen zu zeigen, rechtswidrig gewesen ist.

Mit Schriftsatz vom 10. August 2020 hat sie ferner beantragt,

festzustellen, dass das während der Versammlung „Freiheit für Öcalan, Unterstützung für Personen im Hungerstreik“ am 5. Januar 2019 in Mainz durch den Beklagten ausgesprochene Verbot, Fahnen zu zeigen, die das Porträt des früheren PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan nebst der in mehreren Sprachen wiedergegebenen Forderung „Freiheit für Öcalan“ abbilden, rechtswidrig gewesen ist.

In der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2020 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor Stellung der Anträge erklärt, der mit Schriftsatz vom 10. August 2020 angekündigte Antrag werde nicht gestellt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

festzustellen, dass das während der Versammlung „Freiheit für Öcalan, Unterstützung für Personen im Hungerstreik“ am 5. Januar 2019 in Mainz durch den Beklagten ausgesprochene Verbot, die mitgeführten Fahnen in gelb-rot-grünen Längsstreifen zu zeigen, rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, bei den gelb-rot-grünen Fahnen handele es sich auch um jene der PYD, einer kurdischen Partei in Syrien. Sie sei die dortige Zweig- bzw. Schwesterpartei der PKK und aus dieser hervorgegangen. Die verwendete Fahne sei zentrales Identifikationsmerkmal der PYD. Der rote Stern mit grün-gelbem Ehrenkranz stelle demgegenüber nur das Logo der PYD dar. Der Klägerin gelinge es nicht, Rojava, PYD und PKK zu entzerren.

Der klägerische Vortrag, man habe mit den Fahnen Solidarität mit der Demokratischen Föderation Nordsyrien ausdrücken wollen, sei unglaubhaft, da er sich in Widerspruch zu dem Versammlungsthema setze. Ferner seien auch Fahnen mit dem Abbild Öcalans – ebenfalls gelb, rot und grün hinterlegt und damit in den Farben der PKK und PYD – gezeigt und in der Folge verboten worden. Dies und gerade die Kombination PYD als Ableger der PKK sowie Öcalan als (ehemaligem) Führer der PKK deute darauf hin, dass allgemeine Sympathiebekundungen für die PKK geäußert worden seien. Hierfür spreche auch, dass die Klägerin die PKK-Parole „Bijî serok Apo“ gerufen habe.

Daneben sei das Kennzeichenverbot weit auszulegen. Es sei auch das Verwenden von Kennzeichen, die die PKK als eigene usurpiert habe sowie das Verwenden anderer Kennzeichen im Kontext der PKK verboten. Das Verbot sei rechtmäßig gewesen, da es sich bei der PYD-Fahne um ein von der PKK usurpiertes Kennzeichen handele. Zwar sei die PYD in Deutschland nicht verboten. Da es sich bei dieser um die in Syrien ansässige Partei der Kurden handele, bestehe aber eine enge Verbindung zu der in der Türkei beheimateten PKK. Entsprechend der Einschätzung des Bundesministeriums des Innern handele es sich bei den Symbolen der PYD um Kennzeichen, die von der PKK für ihre Zwecke verwendet werden, um propagandistisch auf den verbotenen Verein, seine Ziele und die Zusammengehörigkeit seiner Anhänger hinzuweisen.

Auch der – alternative – PKK-Bezug der Kennzeichenverwendung sei gegeben. Denn hier seien zugleich Abbilder Öcalans gezeigt worden, der in der öffentlichen Wahrnehmung die PKK selbst verkörpere. Hier sei auch nicht ausschließlich auf dessen persönliche Situation, etwa seine Haftbedingungen, aufmerksam gemacht worden. Die Hinterlegung Öcalans mit der gelb-rot-grünen Fahne habe diesen als politischen Führer der Kurden dar- und zudem einen unmittelbaren und eindeutig aus dem objektiven Empfängerhorizont erkennbaren Kontext zur ebenso gelb-rot- grünen Fahne hergestellt. Ferner sei seine Befreiung gefordert worden.

Auf das Versammlungsthema könne nicht entscheidend abgestellt werden. Maßgeblich komme es darauf an, wie sich die Sachlage nach verständiger Würdigung eines Polizeibeamten in der konkreten Situation objektiv dargestellt habe. Danach sei der vermeintliche Anlass des Vorzeigens der Fahne, die Bezugnahme auf eine Intervention der Türkei in Nordsyrien, nicht erkennbar gewesen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass eine Unterstützung der PKK habe zum Ausdruck gebracht werden sollen.

In die Beurteilung der konkreten Gefahrenlage hätten die eingesetzten Polizeibeamten zudem eingestellt, dass die Klägerin nach ihren Erkenntnissen bereits vorher mehrfach im Kontext der PKK aufgefallen sei. Dies sei dann auch deutlich geworden, als sie selbst – in ihrer Funktion als stellvertretende Versammlungsleiterin – die PKK-Parole „Bijî serok Apo“ als Reaktion auf die Anordnung, die Fahnen nicht mehr zu zeigen, gerufen habe. Die PKK sei das verbindende Element der Kundgebungsmittel, der (behaupteten) Versammlungsthemen und Hintergründe der Klägerin.

Die Maßnahme sei auch ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig gewesen. Eine Störung der öffentlichen Sicherheit habe bereits vorgelegen. Die Versammlungsteilnehmer hätten die Fahnen bis zur Abklärung auch für eine gewisse Zeit zeigen können. Eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit bezogen auf andere Kundgebungsmittel sei nicht erfolgt. Die Fahnen seien auch nicht sichergestellt oder mittels unmittelbaren Zwangs entfernt worden. Es sei zudem gerade nicht erkennbar, warum das Zeigen gelb-rot-grüner Fahnen zur effektiven Darstellung des angemeldeten Themas zwingend erforderlich gewesen sein solle. Hätte man gegen die türkische Militärintervention in Nordsyrien demonstrieren wollen, wäre ein Banner mit einer entsprechenden Aufschrift wohl ein stärkeres und beanstandungsfreies Kundgebungsmittel gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den übrigen Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Verwaltungsakte sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

GRÜNDE

Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – einzustellen, soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Dessen Erklärung, der mit Schriftsatz vom 10. August 2020 angekündigte Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verbotes des Zeigens von Fahnen mit dem Abbild Abdullah Öcalans werde nicht gestellt, stellt insofern eine konkludente Klagerücknahme dar. Die Einwilligung des Beklagten war nicht nach § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderlich, da die Rücknahme vor Stellung der Anträge erklärt wurde.

Im Übrigen hat die Klage Erfolg.

Sie ist zulässig und insbesondere als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Das nach teilweiser Klagerücknahme noch streitgegenständliche Verbot des Zeigens der gelb-rot-grün gestreiften Fahnen hat sich im Sinne des § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – vor Klageerhebung erledigt. Nachdem die Versammlungsteilnehmer dieser Aufforderung nachgekommen sind und die Versammlung vom 5. Januar 2019 beendet wurde, gingen hiervon keine Rechtswirkungen mehr aus.

Die Klägerin ist analog § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da sie durch die Verbotsverfügung als belastenden Verwaltungsakt möglicherweise in eigenen Rechten, hier Art. 8 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz – GG –, verletzt wurde.

Es besteht auch ein besonderes Feststellungsinteresse (sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse). Von den für die Fortsetzungsfeststellungsklage anerkannten Fallgruppen ist jedenfalls eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr anzunehmen. Dies setzt die konkrete bzw. hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass künftig bei im Wesentlichen unverändert fortbestehenden rechtlichen und tatsächlichen Umständen ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen bzw. ein begehrter Verwaltungsakt erneut abgelehnt wird (Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 113 Rn. 126 m.w.N.). Im Hinblick auf Versammlungen ist hierfür ausreichend, dass der Wille des Betroffenen erkennbar ist, in Zukunft Versammlungen abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2011 – 1 BvR 1946/06 –, juris Rn. 22 f. m.w.N.).

Angesichts des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Veranstalters, über das Ziel sowie die Art und Weise der Durchführung einer Versammlung selbst zu bestimmen, darf für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden. Jedoch sind Anhaltspunkte dafür zu fordern, dass die Behörde das Verbot solcher weiteren Versammlungen oder die Beschränkung ihrer Durchführung voraussichtlich wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2011 a.a.O., juris Rn. 23 m.w.N.).

Hiervon ist vorliegend auszugehen. Die Klägerin beabsichtigt, auf künftigen Versammlungen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten weiterhin die streitgegenständlichen Fahnen zeigen zu wollen. Es wurden wohl zwischenzeitlich auch Versammlungen mit ähnlichen Themen seitens der Klägerin durchgeführt. Auch ist anzunehmen, dass der Beklagte das Zeigen dieser Fahnen auch künftig mit derselben Begründung (Nähe zur PKK) verbieten wird.

Die Klage ist auch begründet.

Das durch den Beklagten während der Versammlung vom 5. Januar 2019 ausgesprochene Verbot, die waagerecht gelb-rot-grün gestreiften Fahnen zu zeigen, ist entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO rechtswidrig gewesen und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

Ermächtigungslage für das streitgegenständliche Verbot bildet § 15 Abs. 1 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge – Versammlungsgesetz, VersG –. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Von dieser Befugnis umfasst sind auch – wie hier – erst im Laufe der Versammlung erlassene beschränkende Verfügungen als milderes Mittel gegenüber der Versammlungsauflösung nach § 15 Abs. 3 VersG.

Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Auflage, keine gelb-rot-grün gestreiften Fahnen zu zeigen, bestehen keine Bedenken.

Allerdings erweist sich diese als materiell rechtswidrig.

Die Auflage ist jedenfalls unverhältnismäßig.

Darüber hinaus ist bereits fraglich, ob eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben war. Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1998 – 1 BvR 2311/94 –, juris Rn. 27). Ist eine versammlungsbehördliche Verfügung auf eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit gestützt, erfordert die von der Behörde und den befassten Gerichten angestellte Gefahrenprognose tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben.

Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde und den Gerichten zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz des Art. 8 Abs. 1 GG hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 1 BvR 2794/10 –, juris Rn. 17; OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2017 – 15 B 1371/17 –, juris Rn. 7, jeweils m.w.N.).

Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst unter anderem die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, deren Schutzgüter insbesondere durch Strafgesetze und auch durch Ordnungswidrigkeitentatbestände gesichert sind. Die Verbotstatbestände des Vereinsgesetzes gegen eine Betätigung für einen verbotenen oder einen mit Betätigungsverbot belegten Verein unterfallen dem Schutzbereich der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG (OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 – 1 A 144/05 –, juris Rn. 21).

Zu diesen Vorschriften gehört § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts – Vereinsgesetz, VereinsG –, wonach Kennzeichen eines verbotenen Vereins nicht öffentlich, insbesondere in einer Versammlung, verwendet werden dürfen. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG stellt die Verwendung von Kennzeichen eines mit Betätigungsverbot belegten Vereins in einer Versammlung unter Strafe.

Die PKK – die Arbeiterpartei Kurdistans – wurde in Deutschland durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 (veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 26. November 1993) mit einem Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 VereinsG belegt. Dabei wurde auch ausdrücklich das Verwenden von Kennzeichen der PKK verboten. Dieses Verbot ist bestandskräftig.

Kennzeichen im Sinne des § 9 bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG sind Organisationsmittel, die durch ihren Symbolwert auf den Vereinszweck hinweisen, den Zusammenhalt der Mitglieder stärken und die Vereinigung von anderen Organisationen unterscheiden (Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 231. EL Juli 2020, VereinsG § 9 Rn. 3). Dazu zählen insbesondere Symbole oder Erkennungszeichen, deren sich die erfassten Organisationen bedienen oder bedient haben, um propagandistisch auf ihre politischen Ziele hinzuweisen (Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, VereinsG § 9 Rn. 5). Ein Symbol oder Erkennungszeichen erfüllt den Begriff des Kennzeichens, wenn es von der Organisation propagandistisch für die Werbung für ihre Ziele eingesetzt und mit ihr identifiziert wird. Das wird in der Regel aufgrund einer häufigeren Verwendung und durch einen eindeutigen sachlichen oder personellen Bezug auf die Organisation eintreten (OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 – 1 A 144/05 –, juris Rn. 22).

Ein Kennzeichen ist dadurch geprägt, dass es allgemein und losgelöst von einem einzelnen konkreten Kommunikationszusammenhang als allgemeines Symbol für eine Organisation erkannt und wiedererkannt wird. Auf das Unterbinden dieser Wiedererkennung und damit des Auftretens der Organisation in der Öffentlichkeit zielen die Verbotsnormen des Vereinsgesetzes. Ob ein Kennzeichen im Sinne dieses Gesetzes vorliegt, hängt von dessen allgemeiner Kenntlichkeit und Zuordnung zu der Vereinigung ab (OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 a.a.O.; VG München, Beschluss vom 16. Februar 2018 – M 13 S 18.743 –, juris Rn. 24).

Bei den streitgegenständlichen Fahnen handelt es sich nicht um (originäre) Kennzeichen der PKK im oben genannten Sinne. Denn die verwendete Fahne weist mit ihren waagerechten gelb-rot-grünen Streifen bereits eine andere Gestaltung auf als die von der PKK selbst verwendeten Symbole (diese zeigen in ihren verschiedenen Ausgestaltungen überwiegend einen gelb hinterlegten roten Stern vor rotem Hintergrund, vgl. hierzu etwa Anlage 4 zur Auflagenverfügung der Stadt Mainz vom 4. Januar 2019, Blatt 14 der Verwaltungsakte).

Es handelt sich dabei – trotz der Verwendung der Farben gelb, rot und grün – wegen der unterschiedlichen Gestaltung der Fahne auch nicht um ein verwechslungsfähiges Kennzeichen im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 VereinsG.

Auch § 9 Abs. 3 VereinsG ist nicht einschlägig, da die verwendete Fahne nicht im Wesentlichen die gleiche Form verwendet wie die Kennzeichen der verbotenen PKK. Hieran vermögen auch die Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 29. Januar 2018 und vom 2. März 2017 (Az. ÖS II 2 - 53005/5#1) nichts zu ändern. Denn zum einen kann in den Rundschreiben, bei welchen es sich um eine das Gericht nicht bindende verwaltungsinterne Anweisung handelt, nicht das allein für die PKK bestandskräftig festgelegte Vereinsverbot erweitert werden (vgl. VG Darmstadt, Beschluss vom 2. März 2018 – 3 L 522/18.DA –, juris Rn. 10). Zum anderen ist dort die streitgegenständliche Fahne bereits nicht – auch nicht als solche der PYD – aufgeführt.

Letztlich dahinstehen kann die Frage, ob die gezeigten gelb-rot-grünen Fahnen der PYD zugeordnet werden können. Jedenfalls handelt es sich dabei nicht um das typische Symbol bzw. die entsprechende Fahne der PYD. Denn diese zeigt nicht nur einfach gelb-rot-grüne Längsstreifen wie die im vorliegenden Fall verwendeten Fahnen. Vielmehr weist diese auf weißem Hintergrund einen roten Stern mit Ehrenlaub (links in grüner, rechts in gelber Färbung) und als Schriftzug oberhalb des Sterns „PYD“ sowie unterhalb das Gründungsjahr „2003“ auf.

Dieses Symbol wird in den Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern als verbotenes Symbol der PYD als „PKK-Ablegerpartei“ angesehen. Die waagerecht gelb-rot-grün gestreifte Fahne, wie sie auf der Versammlung vom 5. Januar 2019 gezeigt wurde, wird wohl primär von syrischen Kurden und als de facto-Symbol der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (kurdisch: Rojava) bzw. der Movement for a Democratic Society (kurdisch: Tevgera Civaka Demokratîk, TEV-DEM) verwendet (vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Symbols_of_North_and_East_Syria, zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2020). Sie wird in diesem Zusammenhang zwar auch von der PYD verwendet (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Partiya_Yek%C3%AEtiya_Demokrat, zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2020). Dies dürfte seinen Grund darin haben, dass die PYD eine der Parteien ist, die das politische Komitee der TEV-DEM bilden.

Eine eindeutige Zuordnung der streitgegenständlichen Fahne (allein) zur PYD kommt demnach – anders als bei deren „offiziellem“ Logo – nicht in Betracht. Dort erlaubt neben der Form insbesondere die Verwendung des Kürzels „PYD“ eine genaue Zuordnung. Das ist bei der gelb-rot-grün gestreiften Fahne gerade nicht der Fall.

Selbst wenn man jedoch die verwendete Fahne der PYD zuordnen würde, ist diese Vereinigung selbst in der Bundesrepublik nicht verboten, so dass insofern auch das Kennzeichenverbot des § 9 VereinsG grundsätzlich nicht einschlägig wäre. Als verbotenes Kennzeichen könnte auch eine PYD-Fahne nur angesehen werden, wenn sich diese de facto als Kennzeichen eines verbotenen Vereins – hier der PKK – darstellen würde.

Für die Frage, ob die hier in Rede stehenden und durch die Auflage untersagten gelb-rot-grünen Fahnen als Symbole der PKK zu werten sind und damit ihre Verwendung im Rahmen einer Demonstration nach § 9 Abs. 1 VereinsG verboten bzw. nach § 20 Abs. 1 VereinsG strafbar sein kann, ist auf den Kontext abzustellen, in dem sie verwendet werden (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 19. Februar 2018 – 14 L 337/18 –, juris Rn. 13; VG Darmstadt, Beschluss vom 2. März 2018 – 3 L 522/18.DA –, juris Rn. 11; LG Aachen, Beschluss vom 13. Februar 2018 – 66 Qs 73/17 –, juris Rn. 21; VG München, Beschluss vom 16. Februar 2018 – M 13 S 18.743 – juris Rn. 30; a.A. VG Oldenburg, wonach Fahnen und Transparente u.a. der PYD wegen der engen Verbindung zur PKK bei allen Versammlungen mit spezifischen Anliegen der kurdischen Gemeinschaft auch als Symbole der PKK betrachten werden, vgl. Beschlüsse vom 2. März 2018 – 7 B 1045/18 – und vom 1. Juni 2018 – 7 B 2198/18 –, juris Rn. 17).

Dabei ist insbesondere der jeweilige Versammlungszweck zu berücksichtigen (VG Darmstadt, Beschluss vom 2. März 2018 – 3 L 522/18.DA –, juris Rn. 11). Ein kontextualer Bezug zur PKK könnte etwa angenommen werden, wenn auf einer Demonstration mit mehrheitlichen PKK-Symbolen eine YPG-Flagge mitgeführt wird oder eine sonstige Solidarisierung mit der PKK stattfindet (vgl. LG Aachen, Beschluss vom 13. Februar 2018 – 66 Qs 73/17 –, juris Rn. 22).

Vorliegend fand im Rahmen der Versammlung vom 5. Januar 2019 zwar keine ausdrückliche Solidarisierung mit der PKK selbst statt. Allerdings bezweckte sie – sowohl ausweislich des angemeldeten Versammlungsthemas „Freiheit für Öcalan, Unterstützung für Personen im Hungerstreik“ als auch der gleichzeitig gezeigten Fahnen mit dem Abbild Öcalans nebst dem verschiedentlich übersetzten Schriftzug „Freiheit für Öcalan“ – die Zurschaustellung von Solidarität mit dem ehemaligen Vorsitzenden der PKK. Ausweislich der überblicksweisen Fotografie der Versammlung waren die beiden Arten von Fahnen in etwa gleicher Anzahl vorhanden und diese wurden auch nicht etwa räumlich getrennt gezeigt, sondern „durchmischten“ sich (vgl. Blatt 27 der Verwaltungsakte).

Der Ausruf „Bijî serok Apo“ durch die Klägerin kann ungeachtet der Frage, ob er als „Huldigung“ Öcalans strafrechtliche Relevanz aufweist, nicht in die Betrachtung des Kontexts der Fahnenverwendung eingestellt werden. Denn dieser ist ausweislich der anlässlich der Versammlung vom Beklagten geführten Protokollliste erst am Ende der Abschlusskundgebung und damit nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Auflage getätigt worden.

Ob angesichts des Gesamtbildes der Versammlung vom 5. Januar 2019 – Versammlungsthema, gleichzeitiges Zeigen von Fahnen mit dem Porträt Öcalans – die dort eingesetzten Beamten des Beklagten aus ex ante-Sicht eines gewissenhaften, besonnenen und sachkundigen Amtswalters nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen auf einen Kontext der Verwendung der gelb-rot-grünen Fahnen zur verbotenen PKK schließen und dementsprechend vom Vorliegen eines verbotenen Kennzeichens und somit einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgehen durften, kann letztlich aber dahingestellt bleiben.

Denn die Auflage, mit denen der Klägerin und den übrigen Versammlungsteilnehmern das Mitführen bzw. Zeigen der gelb-rot-grün gestreiften Fahne untersagt wurde, war jedenfalls unverhältnismäßig und daher bereits aus diesem Grunde rechtswidrig. Ihr Erlass war nicht erforderlich. Denn als milderes, gleich geeignetes Mittel gegenüber dem Verbot des Zeigens der gelb-rot-grünen Fahnen wäre das alleinige Verbot der Fahnen mit dem Abbild Öcalans ausreichend gewesen. Denn dies hätte genügt, um einen eventuellen Bezug der gelb-rot-grünen Fahnen zur PKK zu unterbrechen.

Ein solches (isoliertes) Verbot des Zeigens der Fahnen mit dem Abbild Öcalans – wie es im vorliegenden Fall neben dem Verbot der noch streitgegenständlichen gelb-rot-grünen Fahnen ausgesprochen wurde – kam auch deshalb als milderes Mittel in Betracht, da es rechtlich nicht zu beanstanden war. Ermächtigungsgrundlage hierfür bildet ebenfalls § 15 Abs. 1 VersG. Die darin vorausgesetzte unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung war vorliegend gegeben. Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei den Fahnen mit dem Abbild Öcalans zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt und im konkreten Kontext der Versammlung vom 5. Januar 2019 um verbotene Kennzeichen der PKK im Sinne des § 9 Abs. 1 VereinsG handelte.

Grundsätzlich sind auch Bildnisse politischer Persönlichkeiten geeignet, als Kennzeichen für Vereinigungen zu fungieren (OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 – 1 A 144/05 –, juris Rn. 24 m.w.N.). Bilder sind Kennzeichen im Sinne des VereinsG, wenn sie die Identifikation mit der Person und der Organisation zum Ziel haben. Dies ist in aller Regel der Fall, wenn die Personen in propagandistischer Weise abgebildet sind, die Bilder also eine positive Identifikation anstreben, indem die Person in Führer- oder Heldenpose oder in vergleichbarer Weise dargestellt wird. Sie können diese Funktion insbesondere bei nach dem Führerprinzip organisierten Vereinigungen erlangen, bei denen die Verehrung der Führerpersönlichkeit wesentliche Bedeutung für den inneren Zusammenhalt und die Außendarstellung hat (OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 a.a.O.).

Das Bildnis des Gründers und ehemaligen Vorsitzenden der PKK Abdullah Öcalan repräsentiert die verbotene PKK, da er als Symbol für diese angesehen wird. An dieser Symbolkraft des Bildnisses hat sich auch nach seiner Festnahme im Jahr 1999 nichts geändert. Nach wie vor verkörpert die Person Öcalan selbst die PKK und ist eine besondere Symbolfigur, die neben dem Logo der PKK als Sinnbild für die Ziele der Organisation steht (OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 a.a.O., juris Rn. 25 f. und Beschluss vom 21. Februar 2011 – 1 A 227/09 –, juris Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2017 – 15 B 1371/17 –, juris Rn. 29; OVG RP, Beschluss vom 16. Oktober 2015 – 7 B 10990/15.OVG –, ESOVG, Rn. 10).

Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn das Zeigen von Bildnissen Öcalans erkennbar keinen Zusammenhang zum Organisationsbereich der PKK oder deren Wirken aufweist, etwa bei einer Mahnwache, in der allein auf die persönliche Situation des Gefangenen Öcalan hingewiesen werden soll und bessere Haftbedingungen oder das Lebensrecht Öcalans eingefordert werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2002 – 3 StR 299/02 –, juris Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2017 – 15 B 1371/17 –, juris Rn. 31; OVG RP, Beschluss vom 16. Oktober 2015 – 7 B 10990/15.OVG –, ESOVG, Rn. 11; demgegenüber stellt VG Berlin, Beschluss vom 22. November 2011 – 1 L 369.11 –, juris Rn. 30, zusätzlich darauf ab, ob lediglich vereinzelte Bilder Öcalans in nicht martialischer Aufmachung gezeigt werden). In einer solchen Fallgestaltung kann sich die Verwendung von Bildern Öcalans im Einzelfall als „sozialadäquate“ und damit zulässige Meinungsäußerung darstellen (OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 – 1 A 144/05 –, juris Rn. 29 f.; OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2017 a.a.O.).

Eine solche Ausnahmekonstellation lag jedoch nicht vor. Auch wenn den auf der Versammlung thematisierten Hungerstreiks, die Ende 2019 bis Mai 2020 durchgeführt wurden, das Bestreben zugrunde lag, Hafterleichterungen für Öcalan, insbesondere eine Beendigung seiner Isolationshaft, zu erwirken, beschränkte sich die Versammlung jedoch nicht hierauf. Es ging insofern nicht allein um den „Gefangenen Öcalan“, seine persönliche Situation und seine Haftbedingungen.

Über diesen Zweck, zu dem die Verwendung des Abbildes von Öcalan ausnahmsweise zuzulassen wäre, hinaus wurden auf der Versammlung auch allgemeinpolitische Themen angesprochen. Denn wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst ausführte, habe es ein ganzes „Paket an Themen“ gegeben. So habe sie etwa vor der freiwilligen Auflösung der Versammlung eine Rede gehalten, in der sie unter anderem darauf hingewiesen habe, dass man viele Leute in Kurdistan verloren habe. Von der Unterstützung der Hungerstreiks habe man sich versprochen, dass diese zu Hafterleichterungen für Öcalan führen und dieser in der Folge einen neuen Friedensprozess in der Türkei und Nordsyrien initiieren könne.

Gerade vor diesem Hintergrund ist aber davon auszugehen, dass die auf der Versammlung demonstrierte Unterstützung – auch mittels der Öcalan-Fahnen – nicht nur dem Gefangenen, sondern auch der „Symbolfigur“ Öcalan gelten sollte, welche nicht von der PKK zu trennen ist. Letzteres ergibt sich daraus, dass Öcalan als deren Gründer und ehemaliger Vorsitzender für die PKK noch immer eine große Bedeutung hat und mit dieser – ungeachtet der Tatsache, dass er auch über die PKK hinaus für die Gesamtheit der Kurdinnen und Kurden eine wichtige Persönlichkeit darstellt – assoziiert wird.

Die Beschränkung des Verbotes auf das Zeigen der Fahnen mit dem Abbild Öcalans stellte gegenüber dem Verbot auch des Zeigens der gelb-rot-grün gestreiften Fahnen nicht nur ein milderes Mittel dar, sondern wäre zudem ebenso effektiv gewesen. Ohne das Zeigen der Fahnen mit dem Abbild Öcalans konnte nicht mehr von einem hinreichenden Kontext der Verwendung allein der gelb-rot-grün gestreiften Fahnen zur PKK ausgegangen werden, so dass letztere nicht mehr als verbotene Kennzeichen im Sinne der §§ 9 Abs. 1, 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG hätten angesehen werden dürfen.

Zwar weist das angemeldete Versammlungsthema selbst bereits einen Bezug zu Öcalan auf. Dies allein genügt jedoch nicht, um die gelb-rot-grünen Fahnen der PKK zurechnen zu können. Im Wesentlichen waren es die Öcalan-Fahnen, die in der Zusammenschau auch einen Bezug der gelb-rot-grün gestreiften Fahnen zur PKK jedenfalls als möglich haben erscheinen lassen.

Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass die gelb-rot-grünen Fahnen lediglich einen mittelbaren Bezug zur PYD über deren Beteiligung in der de facto-Regierung von Rojava aufweisen. Ein Bezug zur PKK liegt demgegenüber – ohne weitere Anhaltspunkte wie das gehäufte Zeigen von Öcalan-Abbildern – noch ferner. Allein der Versammlungszweck „Freiheit für Öcalan“ vermag eine für sich gesehen neutrale Fahne ohne konkreten Bezug zur PKK nicht zu „infizieren“.

Der aus dem seitens des Beklagten erstellten Protokoll ersichtliche pauschale, wenn auch sicherlich nur verkürzt wiedergegebene Hinweis, die dreifarbigen Fahnen hätten einen „PKK-Hintergrund“, greift zu kurz. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei Gelb, Rot und Grün um die allgemeinen „kurdischen“ Farben handelt, welche durch viele – insbesondere nicht im Zusammenhang mit der PKK stehende – kurdische Organisationen verwendet werden.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Kennzeichenverbot des § 9 VereinsG grundsätzlich weit zu verstehen ist. Dies folgt aus der gesetzgeberischen Intention, die Verwendung von Kennzeichen verbotener Vereine effektiv aus der Öffentlichkeit zu verbannen (vgl. BT-Drs. 18/9758, S. 7 f.; BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2020 – 1 BvR 2067/17 –, juris Rn. 33; BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2018 – 1 VR 14/17 –, juris Rn. 19 f.). Denn das Gericht ist auch trotz dieses weiten Verständnisses des Kennzeichenverbotes der Auffassung, dass die gelb-rot-grün gestreiften Fahnen außerhalb des Zusammenhangs mit den Öcalan-Fahnen, welcher bereits durch das Verbot letzterer unterbrochen werden konnte, gerade nicht mehr als verbotene Kennzeichen angesehen werden können.

Das der Klägerin und den weiteren Versammlungsteilnehmern auferlegte Verbot des Zeigens der gelb-rot-grünen Fahnen verletzte diese in ihrer grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit. Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet dabei nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 1 BvR 2794/10 –, juris Rn. 16 m.w.N.). Dies umfasst auch die Wahl der Kundgebungsmittel wie hier der gelb-rot-grünen Fahnen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob andere, in Bezug auf das Versammlungsthema gegebenenfalls effektivere und stärkere Kundgebungsmittel zur Verfügung gestanden hätten.

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, findet die Kostenentscheidung ihre Grundlage in § 155 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung – ZPO –.

Soweit das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt worden ist, ist die Entscheidung einschließlich der Kostenentscheidung unanfechtbar (§§ 92 Abs. 3 Satz 2, 158 Abs. 2 VwGO).





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Kommentar

Fahnen - oder Flaggen? - in den Farben gelb-rot-grün waagerecht gestreit gelten als "kurdisch". Die Gerichte sprechen in diesem Zusammenhang regelmäßig von Fahnen. Rechtlich könnte es sich - wenn man die autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (kurdisch: Rojava) bzw. der Movement for a Democratic Society (kurdisch: Tevgera Civaka Demokratîk, TEV-DEM) mit dem VG Mainz als de facto-Regierung von Rojava anerkennt - um Flaggen, nicht um Fahnen, handeln.

Korrekterweise bezeichnet man zum Beispiel die "Deutschlandfahne" als "Bundesflagge". Sowohl Artikel 22 Absatz 2 des Grundgesetzes ("Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.") als auch die "Anordnung über die deutschen Flaggen" und der "Erlass der Bundesregierung über die Beflaggung der Dienstgebäude des Bundes" verwenden ausschließlich die Bezeichnung "Flagge" (vgl. https://www.protokoll-inland.de/Webs/PI/DE/beflaggung/allgemeines/flagge-oder-fahne/flagge-oder-fahne-node.html).

Flaggen sind ersetzbar, Fahnen dagegen sind Unikate (weiterführend https://de.wikipedia.org/wiki/Flagge). Dementsprechend wohl zutreffend spricht VG Frankfurt am Main - wenn auch nicht durchgängig - in einer Entscheidung zu den Sym­bo­len der kur­di­schen Par­tei der De­mo­kra­ti­schen Union PYD und deren Volks­ver­tei­di­gungs­ein­hei­ten YPG und YPJ von Flaggenkennzeichen (Urteil vom 22.8.2017, Az: 5 K 4403/16 . Sowohl bei Fahnen als auch bei Flaggen kann es sich grundsätzlich um verbotene Kennzeichen im Sinne des § 9 VereinsG handeln.

Im Einzelfall mag die genaue´Analyse des Wortlautes der Verfügung einer Versammlungsbehörde verwaltungs- und strafrechtlich von Bedeutung sein.