Titel

VG Schwerin, Beschluss vom 11.04.2020, Az. 15 B 48620 SN


Einzelfall-Eilentscheidung zu Versammlung mit einem gerichtlichen Auflagenkatalog

 


Zitiervorschlag: VG Schwerin, Beschluss vom 11.04.2020, Az. 15 B 48620 SN, zitiert nach POR-RAV


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Zur Abwägung von Art. 8 GG und Gesundheitsschutz

Leitsatz



Mit zahlreichen Auflagen zum Gesundheitsschutz ist eine Demonstration zu erlauben.

Volltext

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 11. April 2020 gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 09. April 2020 wird mit folgenden Auflagen wiederhergestellt:

a) Die Versammlung findet als stationäre Versammlung am 14. April 2020 in der Zeit von 11.00 Uhr bis spätestens 12.00 Uhr auf der Straße vor dem Innenministerium, Alexandrinenstraße 1, 19055 Schwerin statt. Zum Eingangsbereich des Ministeriums ist ein Abstand von 15 Metern einzuhalten. Der Fußweg gegenüber dem Ministerium ist freizuhalten.

b) Die Zahl der Teilnehmer ist auf zwanzig Personen zu begrenzen. Die Versammlungsleiterin hat weitere Personen, die sich der Versammlung anschließen wollen, unverzüglich auszuschließen. Die Versammlung ist sofort zu beenden, wenn ungeachtet dessen die Zahl der Teilnehmer zwanzig Personen übersteigt.

c) Zwischen den Versammlungsteilnehmern ist ein Abstand von jeweils zwei Metern durchgehend einzuhalten. Die Versammlungsleiterin hat darauf hinzuwirken, dass sich Passanten der Versammlung nicht näher als auf zehn Meter Abstand nähern.

d) Die Teilnehmer haben während der Veranstaltung einen Mund-Nasenschutz zu tragen.

e) Die Versammlungsteilnehmer sind vor Versammlungsbeginn durch die Versammlungsleiterin oder die Ordner mit Namen und Anschrift schriftlich zu erfassen; die Aufzeichnungen sind von der Versammlungsleiterin für etwaigen späteren Bedarf der Gesundheitsverwaltung für zwei Monate aufzubewahren. Entsprechendes gilt für während der Versammlung hinzutretende Teilnehmer.

f) Die bestellte Versammlungsleiterin hat während der gesamten Veranstaltung vor Ort zu sein und dafür Sorge zu tragen, dass die Veranstaltung den Vorschriften des Versammlungsgesetzes entsprechend ordnungsgemäß und friedlich abläuft. Mit Beginn der Veranstaltung hat sie den Versammlungsteilnehmern die Auflagen in geeigneter Form bekannt zu geben. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass die Auflagen eingehalten und durchgesetzt werden.

g) Die bestellte Versammlungsleiterin hat am angemeldeten Versammlungsort 30 Minuten vor Beginn der Veranstaltung mit dem Vertreter der Versammlungsbehörde bzw. dem Einsatzleiter der Polizei vor Ort eigenständig Kontakt aufzunehmen, um Organisationsfragen zu klären.

h) Es sind neben der Versammlungsleiterin zwei Ordner zu bestellen. Die Ordner müssen volljährig sein und sind durch weiße Armbinden, die nur die Bezeichnung „Ordner“ tragen dürfen, kenntlich zu machen. Sie sind vor der Veranstaltung über ihre Rechte und Pflichten nach dem Versammlungsgesetz durch die Versammlungsleiterin zu belehren. Die Ordner sind vor der Versammlung der Versammlungsbehörde bzw. der Polizei namentlich zu benennen.

i) Fahrzeugen mit Sonderrechten ist jederzeit die freie Durchfahrt zu gewähren.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Streitwert wird auf 5000,00 Euro festgesetzt.

GRÜNDE

Die Entscheidung beruht auf einer Abwägung zwischen den wichtigen grundrechtlich geschützten Rechtsgütern der für eine funktionierende Demokratie grundlegenden Versammlungsfreiheit und des Schutzes von Leib und Leben der Bevölkerung, insbesondere auch der Versammlungsteilnehmer, die Versammlung schützender Polizeivollzugsbeamten sowie von Passanten.

Das Gericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass dieser Schutz nur über das vom Antragsgegner verhängte vollständige Versammlungsverbot gewährleistet werden könnte. Auch die SARS-CoV-2-Verordnung vom 3. April 2020 in der Fassung vom 8. April 2020 sieht in ihrem § 6 Abs. 4 die Möglichkeit der Genehmigung von Versammlungen unter freiem Himmel vor, soweit die zuständige Gesundheitsbehörde fachlich zustimmt. Daraus entnimmt das Gericht, soweit die Zusammenkünfte infektiologisch verantwortet werden können, dürfte eine Reduktion des Ermessens der Versammlungsbehörde auf eine Ermöglichung der Versammlung anzunehmen sein. Der Verordnungsgeber selbst sieht diese Möglichkeit für Zusammenkünfte der Glaubensgemeinschaften vor.

Dem gebotenen Gesundheitsschutz kann nach Auffassung des Gerichts durch Einhaltung bzw. Durchsetzung der im Tenor formulierten Auflagen genügt werden. Die Auflagen erscheinen aber auch notwendig, was auch die Antragstellerin in ihrer vorgerichtlichen Korrespondenz einräumte.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

Rechtsmittelbelehrung…

Kommentar

Die Entscheidung gibt keinen Sachverhalt wieder, so dass nicht erkennbar wird, worauf das offenbar erlassene vollständige Versammlungsverbot gestützt wurde. Warum die Auflagen sämtlich erforderlich sein sollten wird nicht ausgeführt. Nicht erkennbar ist außerdem, warum die Kosten gegeneinander aufgehoben und nicht vollständig der Antragsgegnerin auferlegt wurden. Weitergehende rechtliche Erkenntnisse ergibt die Entscheidung nicht.